style in progress 2/2018 – Deutsche Ausgabe

Page 41

SO LÄUFT’S 39

informierter, bewusster und vielseitiger unterwegs, anders als frĂŒher können sie zwischen zahlreichen Alternativen, fĂŒr die sie ihr Geld ausgeben können, wĂ€hlen – Spielekonsole, Smartphone, Reisen, um nur einige zu nennen. FĂŒr Mode bleibt also weniger ĂŒbrig. Darauf muss der HĂ€ndler reagieren

Glauben Sie, dass es eine Diskrepanz zwischen dem gefĂŒhlten richtigen Preis fĂŒr Ihr Produkt zwischen Endkon­ sument und HĂ€ndler gibt?

Heiko Storz hat sich mit Fil Noir an einen Markt gewagt, den man eigentlich ĂŒbersĂ€ttigt glaubte. Wer braucht ein weiteres Premiumhemd im Sortiment? Viele, wenn es wie Fil Noir mit anderen Argumenten aufwarten kann. Text: Martina MĂŒllner-Seybold. Foto: Fil Noir

HĂ€ndler öffnen sich einer neuen Einstiegspreislage. „Zu gĂŒnstig fĂŒr mein Sorti­ ment“, hieß es oft, wenn ein Produkt zum herausragenden Preis-Leistungs-VerhĂ€ltnis angeboten wurde, jetzt wer­ den Hemden unter 100 Euro dankend angenommen. Was hat sich verĂ€ndert?

Die meisten HĂ€ndler sind ĂŒber unsere Einstiegspreislage ĂŒberrascht, die bei 79,90 liegt. Einmal mehr, weil unsere Produkte ausschließlich in Europa gefertigt werden. Wir können einen solchen Preis realisieren, weil wir ein kleines Team sind und sehr schmal kalkulieren. Wir sind also in der Lage, ein QualitĂ€tsprodukt zu einem fairen bzw. demokratischen Preis anzubieten. Das ist Teil unseres Erfolgs, der Abverkauf von Fil Noir spricht fĂŒr sich. Meiner Ansicht nach liegt die grĂ¶ĂŸte VerĂ€nderung beim Gros der Konsumenten – sie sind

Das lĂ€sst sich nicht verallgemeinern – ein guter HĂ€ndler ist im Idealfall selbst Marke bzw. eine Instanz, der Vertrauen beim Kunden schafft. Er kennt seine Kunden und weiß in der Regel, welchen Preis sie bereit sind, zu zahlen. Aber: Es liegt auf der Hand, dass ein QualitĂ€tshemd fĂŒr 79, 89 oder 99 Euro schneller zu Kasse lĂ€uft, als ein Hemd fĂŒr 139 oder 149 Euro. Nur der HĂ€ndler, der das einsieht, wird Kundenzuwachs generieren können.

Kunden kaufen öfter, geben aber in Summe nicht mehr pro Jahr fĂŒr Mode aus. Welcher Entwicklung ist das geschul­ det?

Der Endverbraucher ist satt, der Kleiderschrank ist voll. Also muss der HĂ€ndler den Kunden locken, und das kann er, indem er ihn mit tollen Produkten ĂŒberzeugt. Ehrliche Produkte, die ein faires Preis-Leistungs-VerhĂ€ltnis bieten, stehen an erster Stelle, denn immer mehr Kunden – insbesondere die, die im Facheinzelhandel einkaufen – interessieren sich fĂŒr Herkunft und Produktion. Made in Europe wird ein immer stĂ€rkeres Argument, da das Gros der Kunden informiert ist und bewusster konsumiert. Im Vordergrund steht natĂŒrlich der Look, aber wenn das gute GefĂŒhl im Preis inbegriffen ist, wirkt sich das positiv auf die Kaufentscheidung aus. Wie, glauben Sie, sieht die kĂŒnftige Konsumentengene­ ration die Premiumpreislage? Ist fĂŒr jemanden, der mit Zara und Co groß geworden ist, ein Hemd fĂŒr ĂŒber 100 Euro ohnehin schon Luxus?

Angefeuert durch die neuen Medien d. h. durch die sozialen Netzwerke und Influencer zĂ€hlt fĂŒr die kĂŒnftige Generation

Wo liegt in Ihrem Segment die Schmerzgrenze? Was lÀsst sich argumentieren, was ist ein Mondpreis?

Ab 129 Euro wird die Luft recht dĂŒnn. Oberhalb dieser Preislage wird nicht mehr in großen StĂŒckzahlen agiert. der schnelle Konsum – heute auf dem Laufsteg, gleich auf Instagram und kurze Zeit spĂ€ter, erschwinglich fĂŒr die meisten, bei den großen, bekannten Ketten. Die Welt ist via Web in jedem Wohn- bzw. Jugendzimmer, selbst in Hintertupfingen, zu Hause – das schĂŒrt die Gier, immer dem neuesten Trend zu entsprechen – Trend vorbei, Klamotte weg, im Zweifel im MĂŒlleimer. Aber: Der Kunde, und auch die kĂŒnftige Generation, ist mittlerweile bestens informiert und kann auf hohem Niveau vergleichen – ĂŒber den Preis hinaus. Das Bewusstsein fĂŒr die Umwelt, fairen Handel und Produktion und gute, originelle Produkte wird geschĂ€rft. Die Produktspezialisten, die ein gutes Produkt, das fair produziert wird, zu einem nachvollziehbaren Preis-Leistungs-VerhĂ€ltnis anbieten und ihren Werten treu bleiben, werden zu den Gewinnern zĂ€hlen. Hingegen werden es die Marken, die auf schnellen Profit aus sind und fĂŒr Produkte, die vergleichbar bzw. beliebig sind, zu hohe Preise verlangen, schwer haben.

Was muss ein Hersteller tun, um sein Preis-Leistungs-Ver­ hĂ€ltnis im Rahmen zu halten? Wie groß ist Ihr Aufwand, dass die Preise nicht nach oben entgleiten und trotzdem die nötige Spannung, Innova­ tion und der Wert im Produkt erhalten bleiben?

Ich bin ĂŒbers Jahr unterwegs, um vorteilhafte Vereinbarungen mit meinen Stoffanbietern zu treffen. Ich ĂŒberprĂŒfe mehrmals im Jahr unsere ProduktionsstĂ€tten. DarĂŒber hinaus sind kreatives Produktdesign, raffinierte und subtile Details, gute Waschungen essenzielle Faktoren – immer innerhalb unseres Markenkerns. Wir bleiben uns treu, verlieren unsere Erkennungsmerkmale nie aus den Augen. Und last but not least: Wir bleiben realistisch und betreiben keine ĂŒbermĂ€ĂŸige Profitgier – die ist letztendlich der grĂ¶ĂŸte Killer einer Marke.

style in progress 218


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
style in progress 2/2018 – Deutsche Ausgabe by style in progress - Issuu