NZZone (D)

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UHREN & SCHMUCK

Neue Impulse: Frauen, Quarz und Tuning

Die Schweizer Uhrenindustrie durchlebt derzeit eine anspruchsvolle Phase. In China hält die Flaute an, und in den USA, der grossen Hoffnung auf weiteres Wachstum, belasten neue Strafzölle das Geschäft. Je nach Vertriebsmodell – ob eine Marke eigene Boutiquen betreibt über Händler verkauft oder direkt aus der Schweiz an Endkunden liefert – treffen die Abgaben die Hersteller unterschiedlich hart

Doch im Mittelpunkt dieser Beilage stehen nicht die Sorgen der Branche, sondern das, was Uhrenfreunde interessiert: welche Neuheiten lanciert werden, welche Strategien die Marken verfolgen und auch welche Trends sich abzeichnen.

Einer der Trends betrifft die Frauenuhr (S 4), die derzeit bei vielen Herstellern ganz oben auf der Agenda steht. Für die Auftaktgeschichte dieses Specials haben die NZZ und Le Temps erstmals zusammengespannt; Stéphane Gachet, Uhrenredaktor von Le Temps, und ich haben sie gemeinsam recherchiert und verfasst Der Beitrag erscheint zeitgleich in beiden Ausgaben. Ein weiteres Thema ist die Rückkehr der Quarzuhr (S 14) Pierre-André Schmitt zeichnet ihre Entwicklung nach – von der lange verpönten Massenware zum Sammlerobjekt, das vom RetroTrend profitiert. Die Schweiz, so sein Befund, hat auch in dieser Disziplin mehr zu bieten, als man gemeinhin annimmt. Dass sich Quarzwerke nicht länger verstecken müssen, zeigen auch die jüngsten Neuheiten (S 8), von denen Timm Delfs und ich eine Auswahl zusammengestellt haben. Unser Eindruck: Die Scheu der Hersteller hat abgenommen. Soll eine Uhr klein, flach und erschwinglich sein, ist Quarz sinnvoll Umgekehrt erliegen selbst Marken, die bislang für Quarz standen, dem Reiz der Mechanik: Casio, bekannt für den Taschenrechner am Handgelenk und die unverwüstliche G-Shock präsentiert erstmals eine Uhr mit mechanischem Werk.

In die Welt des obersten Luxus führt die Reportage von Michelle Mussler Sie beschreibt das Phänomen des «Uhren-Tunings» (S 6): Sammler, die bereits mehrere Luxusuhren besitzen, lassen ihre Stücke personalisieren – und geben dafür nicht selten mehr aus als für die Uhr selbst. Und dann ist da noch der VintageSchmuck (S 12) Marianne Eschbach zeigt, wie stark der Wiederverkaufswert hier die Attraktivität bestimmt. Während im Uhrenmarkt Plattformen wie Chrono24 längst für Transparenz sorgen, ist dies bei Schmuckstücken weniger der Fall. Auch dort gibt es jedoch Objekte, die ihren Wert halten – während andere dereinst nur noch zum Materialpreis gehandelt werden.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Die Stunde der Frau

Können Frauen den stagnierenden Uhrenmarkt beleben? Immer mehr Marken setzen darauf – mit unterschiedlichen Rezepten

Die Uhrenbranche richtet ihren Fokus in diesem Jahr auffällig stark auf Frauen Im Juni präsentierte Omega ein neues kleines Kaliber für die AquaTerra-Linie. Anfang September setzte Tissot mit der eckigen, kleinen SRV auf weibliche Kundschaft.

Auch Patek Philippe, Blancpain und Bulgari brachten gezielt Modelle für Frauen auf den Markt. Ob Zufall oder strategische Wende – Frauenuhren sind zurück.

Viele Marken sehen in Frauen das nächste grosse Wachstumsfeld – sozusagen den sechsten Kontinent, den es noch zu erschliessen gibt Und tatsächlich: Noch immer spiegelt sich die Gleichverteilung der Geschlechter in der Weltbevölkerung nicht in den Verkaufszahlen wider Abgesehen von Schmuckmarken, die traditionell aus der Weiblichkeit heraus gewachsen sind, machen Damenuhren nur einen Bruchteil des Umsatzes aus. Als wären Uhren eine Männersache.

Von Königinnen ans Männerhandgelenk

Das war nicht immer so Die verrückteste und technisch anspruchsvollste Uhr, die vor dem Computerzeitalter gebaut wurde, gehörte der Königin von Frankreich: die «Marie-Antoinette» mit 23 Komplikationen, gefertigt von Breguet Ende des 18 Jahrhunderts Für Caroline Murat, Napoleons Schwester, entwickelte Breguet Anfang des 19 Jahrhunderts den ersten Prototypen einer Armbanduhr, die «Reine de Naples».

Diese Beispiele zeigen, wie schwer sich der Begriff «Damenuhr» fassen lässt. Er ist keineswegs auf kleine, verzierte Schmuckstücke beschränkt. Die Tessiner-Neuenburger Historikerin Rossella Baldi erinnert daran, dass kleinere Uhren schon im 16 Jahrhundert auftauchten – ohne Hinweis, dass sie speziell für Frauen gedacht waren. Estelle Fallet, Kuratorin für Uhren im Musée d’Art et d’Histoire in Genf, zieht eine ähnliche Linie für das 17 und 18 Jahrhundert: «Die Produktion dieser Zeit ist nicht nach Geschlechtern unterscheidbar.» Und im 19 Jahrhundert sei die Uhr zum modischen Accessoire geworden, was die Vielfalt an Formen und Grössen erkläre.

Die geschlechtsspezifische Unterscheidung begann erst im 20. Jahrhundert, ausgelöst durch Werbung, sagt Historikerin Baldi. Während der Art-déco-Ära wuchs das Angebot für Frauen; mit Sport, Automobil, Luftfahrt und Krieg kam die Uhr an Männerhandgelenke. Die Industrie suchte nach Zuverlässigkeit und Leistung – ein Terrain, auf dem sich Männer schnell heimisch fühlten.

Doch die Armbanduhr war ursprünglich ein weibliches Objekt: Sie entwickelte sich aus den kleinen Taschenuhren, die Frauen als Anhänger oder Halsketten trugen – oder eben am Handgelenk. Erst später wurde sie zum Symbol männlicher Technik und Abenteuerlust

Heute hundert Jahre nach dem Siegeszug der Armbanduhr, rücken Frauen wieder stärker ins Blickfeld. Wie die Branche dieses Potenzial erschliessen will, haben Le Temps und die NZZ Führungskräfte verschiedener Marken gefragt.

„ MB&F:

«Aufhören zu versuchen»

Maximilian Büsser Gründer der Genfer Marke MB&F, gibt eine radikale Antwort: «Hören Sie auf, es zu versuchen!» Mit der Flying-T hatte er vor einigen Jahren eine Uhr eigens für Frauen lanciert – hochgelobt, am Markt jedoch chancenlos: «98 Prozent der Käufer waren Männer.»

Seine Konsequenz: Er verzichtete auf ein separates Damenmodell Das neue Modell SP1 steht nun auf Wartelisten und «die Hälfte der Bestellungen kommt von Frauen»

Damenuhren machen nur einen Bruchteil des Umsatzes aus Als wären Uhren eine Männersache.

„ Tissot:

«Man muss bescheiden sein»

Tissot-Chef Sylvain Dolla setzt auf ein anderes Konzept. «Man muss bescheiden sein», sagt er Die neue, rein weibliche Kollektion SRV wurde deshalb ausschliesslich von einem Team aus Frauen entwickelt – vom Design bis zur Kommunikation. «Das Produkt allein reicht nicht», betont Dolla. «Es braucht eine starke Kampagne.» Die Strategie greift: In China machen Frauen bereits fast die Hälfte des Umsatzes von Tissot aus, in Europa und den USA sind es 20 bis 25 Prozent Ziel ist es, mit der Dynamik der Herrenuhren zu wachsen

„ Breitling:

«Von Anfang an klar»

Georges Kern, Chef von Breitling, begann vor acht Jahren bei null. Als er die Marke übernahm, bot Breitling fast nur grosse Fliegeruhren an. Heute beträgt der Frauenanteil rund 16 Prozent, Tendenz steigend. «Für mich war von Anfang an klar, dass wir auch Frauenuhren produzieren werden», sagt Kern. «Zum einen wäre es dumm, 50 Prozent des Marktes zu ignorieren. Zum anderen sind wir eine Generalistenmarke und können mit unserem Lifestyle und unserer Geschichte alle Segmente bedienen.» Die Herausforderung bestand darin, bei

Andrea

der Rückeroberung der Frauenwelt glaubwürdig zu wirken. Kern setzte dafür nicht nur auf kleinere Formate, sondern variierte je nach Kollektion die Akzente Beim Navitimer etwa feierte die Perlenlunette ein Comeback Inzwischen sind sämtliche Linien auch für Frauen konzipiert – entweder mit spezifischen Modellen oder mit Unisex-Ausführungen. Nur die elegante Premier-Kollektion fehlt noch, doch die Lancierung der Lady Premier steht kurz bevor Dass Breitling eines Tages die Hälfte seiner Uhren an Frauen verkauft, hält Kern dennoch für unrealistisch: «Eine Marke ist immer eher maskulin oder feminin geprägt, ob sie will oder nicht. Wenn wir 25 bis 30 Prozent erreichen, ist das bereits eine Spitzenleistung.»

„ Omega: «Die Nachfrage ist gross» Omega erzielt bereits 35 bis 40 Prozent des Umsatzes mit Damenuhren. Bei der aktuellen Frauenoffensive geht es weniger um Design als um Technik. Für die Aqua Terra 30 mm verkleinerte die Marke ihr präzisestes Uhrwerk, das Master-Chronometer-Kaliber «Die Nachfrage nach kleinen, aber technisch anspruchsvollen Modellen ist gross», sagt Omega-Präsident Raynald Aeschlimann

„ Audemars Piguet: «Interesse an komplizierten Uhren» Auch andere Marken bemerken das wachsende Interesse von Frauen an komplexen Uhren. Patek Philippes Kollektion Twenty~4, 1999 eingeführt, war zunächst nur in Quarz erhältlich. Seit 2018 gibt es mechanische Modelle, und seit diesem Jahr erstmals eine Uhr mit ewigem Kalender AudemarsPiguet-Chefin Illaria Resta spricht von einem

Die Armbanduhr war ursprünglich ein weibliches Objekt.

Wendepunkt: «Immer mehr Frauen kaufen komplizierte mechanische Uhren – und immer häufiger für sich selbst.» Alexander Friedmann, Gründer des Sammlerclubs Collector Sphere, bestätigt diesen Trend. Frauen machen inzwischen einen Sechstel seiner Mitglieder aus Der Unterschied zu Männern? Weniger Ego, mehr Wissen und Feinsinn.»

„ Louis Erard: «Frauen sind individueller» Auch Louis-Erard-Chef Manuel Emch nimmt diese Kontraste im Verhalten wahr – allerdings aus einer anderen Perspektive: «Männer wollen oft das was andere Männer haben. Frauen sind individueller Sie zu erreichen, dauert länger und rechnet sich erst später.» Der Frauenanteil bei Louis Erard liegt derzeit bei 5 bis 10 Prozent. Kooperationen, etwa mit der Künstlerin Sylvie Fleury, sollen ihn steigern.

„ Bulgari: «Eine gemeinsame Entscheidung» Das Interesse an mechanischen Uhren bedeutet jedoch nicht das Ende der Quarzuhren. Ein Bestseller bei Audemars Piguet ist derzeit die neu aufgelegte Royal Oak Mini So klein und flach lassen sich mechanische Uhrwerke kaum herstellen – zumindest nicht zu einem vernünftigen Preis. JeanChristophe Babin, Chef von Bulgari, will testen, wie wichtig Mechanik für Frauenuhren ist. 70 Prozent der Uhren von Bulgari sind Damenmodelle. Für die Serpenti-Schmuckuhren hat das Unternehmen vor kurzem ein Miniatur-Automatikwerk entwickelt Häufig sei der Kauf eine gemeinsame Entscheidung eines Paars, bei der beide ihre Vorstellungen einbrächten, sagt Babin. Mit dem neuen Werk eliminiere man den einzigen Einwand, den Männer gegen die Serpenti ihrer Partnerin haben könnten: den Quarz.

Rolex und Cartier: Zwei Marken jenseits des Trends

Auffällig ist, dass zwei grosse Uhrenmarken derzeit keinen besonderen Schwerpunkt auf Frauenuhren legen: Rolex und Cartier Beide brauchen diesen zusätzlichen Effort nicht – sie sind bei Frauen ohnehin stark verankert. Rolex sprach Frauen von Beginn weg an – in der Gestaltung wie auch in der Werbung. Bereits in den 1910er Jahren stellte das Unternehmen spezielle Modelle für Frauen vor. Die erste Werbebotschafterin war ebenfalls weiblich: 1927 durchquerte die Schwimmerin Mercedes Gleitze den Ärmelkanal mit einer Rolex Oyster und warb damit für deren Wasserdichtigkeit Heute wird der Anteil der weiblichen Kundschaft bei Rolex von Branchenkennern auf nahezu 50 Prozent geschätzt. Spezielle Damenlinien gibt es nicht mehr Stattdessen bietet die Marke ihre meistverkauften Modelle in verschiedenen Grössen an. So ist die Oyster Perpetual nicht nur im 41-Millimeter-Gehäuse erhältlich, sondern auch in 36, 34, 31 und 28 Millimetern Auch die Datejust mit ihrer markanten Datumslupe wird in mehreren Durchmessern gefertigt, und auch mit Diamantbesatz. Diese Vielfalt erlaubt es Frauen, das für ihr Handgelenk passende Modell zu wählen.

Bei Cartier liegt der Frauenanteil sogar über jenem der Männer Schätzungen sprechen von 60 zu 40 im gesamten Sortiment, bei Uhren dürfte es ähnlich sein. Auch hier gilt: Die meisten Modelle wurden nicht speziell für Frauen entwickelt. Die Tank etwa war von Beginn an ein Unisex-Modell, während die Baignoire für Frauen gedacht war. Cartier geht derzeit sogar den umgekehrten Weg vieler anderer Uhrenmarken. Die Manufaktur macht Modelle, die lange als Frauenuhren galten, gezielt auch für Männer interessant. Ein Beispiel dafür ist die Panthère. Sie wurde wegen ihres Formats lange als feminin wahrgenommen. Vor zwei Jahren brachte Cartier jedoch eine grössere Version – das «Grand Modèle» – zurück, die auch an Männerhandgelenken passt. Mit dem aktuellen Trend zu kleineren Gehäusen greifen heute allerdings auch Männer wieder vermehrt zu den kleineren Varianten

Ob Zufall oder nicht: Gerade diese beiden Marken, die Frauen seit jeher als Kern ihrer Kundschaft betrachten gehören zu den erfolgreichsten der vergangenen Jahre.

Frauen und Uhren –in Zahlen

Offizielle Statistiken fehlen, doch Branchenkenner schätzen, dass rund 65 bis 70 Prozent der verkauften Schweizer Uhren Männeruhren sind Das Potenzial für Frauenuhren ist somit gross Ob es genutzt wird, bleibt fraglich Laut einer Deloitte-Studie verlieren klassische Uhren bei Frauen an Bedeutung. 2020 trugen noch 40 Prozent der Frauen eine klassische Uhr, 2024 waren es nur noch 22 Prozent. Gleichzeitig verdoppelte sich der Anteil der Frauen, die ausschliesslich eine Smartwatch tragen, von 16 auf 33 Prozent

Welche Art Uhr tragen Sie normalerweise?

Frauen im Jahr 2020

Frauen im Jahr 2024

Traditionelle Uhr (mechanisch oder Quarz)

Beides Keine Smartwatch

*Befragt wurden 6000 allgemeine Konsumentinnen in der Schweiz sowie den wichtigsten Exportmärkten für Schweizer Uhren im Herbst 2024.

Von Frauen bevorzugt getragene Uhrenarten

KIM ROSELIER

Popcorn auf der Tudor: Die verrückte Welt des Uhren-Tunings

Personalisierte Luxusuhren sind ein boomendes Geschäft Immer mehr Kunden wollen ihre Rolex, Patek oder Audemars Piguet zu Unikaten umbauen lassen Das gefällt nicht allen Uhrenmarken.

MICHELLE MUSSLER

Es passierte zufällig auf einem Flug von New York nach Zürich Robert, ein fanatischer Wracktaucher, und der deutsche Unternehmer Alexander Klingbeil lernten sich kennen. Robert entdeckte am Handgelenk von Klingbeil eine Rolex Submariner – ungewöhnlich, mit Gravuren, schwarzem Gehäuse und Metallband. Die beiden kamen ins Gespräch, sprachen stundenlang über Uhren. Bei der Landung stand fest: Sie starten ein gemeinsames Projekt. Zwei Jahre später sagt Klingbeil:«Heute ist Roberts Uhr die verrückteste, die wir je gebaut haben.» Klingbeil ist Geschäftsführer von Blaken, einem Atelier das Luxusuhren nach Kundenwunsch veredelt. «Sechs Monate haben wir an Roberts Uhr gearbeitet, allein vier für die aufwendigen Gravuren», erzählt Klingbeil. Der Kunde, ein amerikanischer Jurist und Förderer von Meeresforschungsprojekten, wollte seine Tudor Pelagos komplett mit Unterwassermotiven versehen lassen: Hammerhai, Herzmuschel, Kraken, Krebse, Wracks und Schatztruhen. Zudem sollte die Uhr stellenweise mit blauer DLC-Beschichtung (einer diamantähnlichen Kohlenstoffschicht) glänzen.

Die Herausforderung war, dass die Uhr aus hartem Titan bestand. Da Robert Lasergravuren ablehnte mussten die reliefartigen Gravuren von Hand entstehen. Dafür engagierte Blaken eigens einen erfahrenen Waffenschmied. «Seine Tudor kostete rund 5000 Franken, für die Veredelung zahlte Robert weitere 40000», sagt Klingbeil.

Sobald es um die persönliche Entfaltung geht, kennt die Kundschaft keine Grenzen. Meist geht es laut Klingbeil um hochemotionale Bezüge, oft zur Familie. Die Kunden – Männer zwischen Mitte 20 und 60 – stammen überwiegend aus den USA und Asien, zunehmend auch aus Europa und dem Nahen Osten Sie finden die gängigen Stahlsportuhren zu gewöhnlich Am beliebtesten sind neue Zifferblätter und farbige DLC-Beschichtungen.Gravuren und Edelsteine sind seltener gefragt. Häufig sind die selbst entworfenen Uhren auch als Geschenk gedacht:Zum Hochzeitstag die Cartier oder Rolex der Ehefrau in ihre Lieblingsfarbe umzugestalten, ist ein Klassiker Vor allem jüngere Sammler haben teilweise extravagante Wünsche Ein Start-up-Unternehmer liess sich für seine Ibiza-Reisen ein türkisfarbenes Zifferblatt anfertigen, samt gemaltem PopcornMotiv – eine Liebeserklärung an seinen Lieblingssnack «Solange die Designs nicht sexistisch, politisch oder religiös sind, setzen wir alles um», sagt Klingbeil. Blaken wurde 2011 in Menden in der Nähe von Bonn gegründet. 2022 traf ein «absoluter Glücksfall» ein, wie Klingbeil erklärt Als die Swatch Group ihre Zifferblattmanufaktur aus Pforzheim abzog, konnte Blaken erfahrene Fachkräfte übernehmen. Seither verfügt die Firma über eine hauseigene Zifferblattdruckerei, Lackiererei, Gravurwerkstatt und mehr als 20 Jahre Know-how im händischen Gestalten von Zifferblättern.

Schweizer Kunden sind die anspruchsvollsten Der Einstiegspreis für eine Blaken liegt bei 4000 Franken, Spitzenwerte bei 240000 Franken. So teuer war eine skelettierte Rolex Daytona mit Regenbogenlünette und Diamantarmband. Schweizer Kunden gelten als die anspruchsvollsten. «Mit ihnen diskutieren wir schon mal eine Stunde über die Länge des Zeigers», sagt Klingbeil. Hat man ihr Vertrauen gewonnen, bleiben sie treu So hat ein Zürcher Mediziner bereits sieben RolexModelle bei ihm umbauen lassen. Beraterfirmen sprechen von «emotional intelligentem Luxus» (McKinsey) oder von der «Emanzipation des Kunden» (Bain). Denn vor allem Superreiche, die schon alles besitzen, suchen nach Selbstverwirklichung – der höchsten Stufe in Maslows Bedürfnispyramide

Die Branche bewegt sich in einem engen Rahmen Weltweit gibt es weniger als zehn Uhren-Tuner Am bekanntesten sind Artisans de Genève Sie sorgten 2024 für ein Grundsatzurteil: Das Bundesgericht entschied, dass Uhren im Auftrag ihres Besitzers für den Eigengebrauch personalisiert werden dürfen. Der Verkauf von «RolexCustoms» ohne Zustimmung der Marke bleibt jedoch verboten. Damit endete

Personalisierungswunsch eines Ibiza- und Popcorn-Liebhabers. Ein Beispiel für die Dienstleistung

Royal
Roberts gravierte Tudor Pelagos.
FOTOS: PD

ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Rolex und Artisans de Genève Das Atelier hatte nicht nur für Privatkunden gearbeitet, sondern auch mit Prominenten wie Lenny Kravitz, Spike Lee oder Juan Pablo Montoya Sondereditionen kreiert Der Aufpreis lag bei 100 Prozent. Dass Rolex dies missfiel überrascht nicht. Die Manufaktur investiert seit Jahrzehnten erhebliche Summen in Produkt- und Materialentwicklung, in Qualitätssicherung, Vertrieb, Kundendienst und Markenpflege Wird eine Uhr nachträglich verändert – selbst wenn es sich nur um ein andersfarbiges Zifferblatt handelt –, erlischt die Herstellergarantie. Nach Auffassung von Rolex handelt es sich dann nicht mehr um ein Originalprodukt; autorisierte Händler und Werkstätten lehnen Serviceleistungen ab Zwischen Kooperation und Rebellion

Andere Hersteller reagieren weniger strikt – manche sehen sogar Chancen. So liess Modedesigner Matthew Williams bei Mad Paris seine Audemars Piguet Royal Oak schwarz beschichten und mit einer eigenen Schliesse versehen. Das Modell sorgte in den sozialen Medien für Aufsehen. Statt dagegen juristisch vorzugehen, lud Audemars Piguet Williams zur Zusammenarbeit ein. 2021 erschien eine gemeinsame Sonderedition, die sofort vergriffen war. Auch Pop-Star Ed Sheeran zeigte sich kürzlich mit einer eigens gestalteten Royal Oak. Unternehmen wie Artisans de Genève, Blaken, Label Noir, Bamford oder Mad Paris haben ihr Geschäftsmodell inzwischen angepasst. Einige kooperieren inzwischen offiziell mit Marken wie Tag Heuer, Jacob & Co., Bulgari, Maurice Lacroix oder Edox, deren Modellen sie eine zusätzliche Portion Coolness verleihen Private Uhren lassen sich bei den meisten Anbietern weiterhin individualisieren. Artisans de Genève und Blaken stellen dafür eigene Garantien aus Uhren zu personalisieren, gehört seit jeher zur Branche Die moderne Variante begann vor zwanzig Jahren. Damals gestaltete George Bamford in London seine eigene Rolex um und zog damit durch angesagte Clubs Bald belieferte er die Party-Szene mit weiteren Modellen,

hüllte sie in schwarz oder stattete sie mit Snoopy- und Popeye-Motiven aus, deren Arme als Stunden- und Minutenzeiger dienten. 2017 verkaufte Bamford Anteile an LVMH und produziert seither auch für deren Marken.

Sondereditionen in Kleinstauflagen werden immer häufiger Für Klingbeil ist der Trend ein «De-Branding»: «Manche Kunden wollen keine personalisierte Uhr einer bekannten Marke, sondern eine komplett eigene Uhr in kleiner Auflage – als ob sie selber ein Brand wären.» Solche Aufträge kommen nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch von Klubs, Universitäten oder Familien, die lieber ihr Wappen auf dem Zifferblatt sehen als ein Markenlogo Um diesen Bedarf zu bedienen, arbeitet Klingbeil inzwischen auch als Zulieferer für zehn renommierte Uhrenmarken Unter dem Namen Whiten baut er mit Partnern eine Produktion in der Schweiz auf, zwischen Biel und La Chaux-de-Fonds Dort entstehen künftig Gehäuse, teilweise Kaliber und Skelettierungen – «Swiss Made» inklusive Sogar eine eigene Uhrenlinie ist für nächstes Jahr geplant.

«Manche wollen keine personalisierte Uhr einer bekannten Marke, sondern eine komplett eigene Uhr – als ob sie selber ein Brand wären.»

Die

bekanntesten

Uhrenveredler

„ Artisans de Genève: Seine erste Personalisierung einer Uhr machte John Isaac im Jahr 2005; 2013 wurde das Schweizer Atelier für Uhrenindividualisierungen offiziell etabliert. Seither arbeitet es regelmässig mit prominenten Musikern, Schauspielern und Rennfahrern zusammen Eines der jüngsten Projekte entstand für Juan Pablo Montoya: Die «Montoya Rose» basiert auf einer Rolex Daytona. Zudem verfügt das Atelier über breite Erfahrung mit Uhren von Patek Philippe und Audemars Piguet. Sämtliche überarbeiteten Modelle werden mit einer fünfjährigen Garantie versehen

„ Bamford Watch Department: George Bamford gilt seit 2003 als Wegbereiter der modernen Uhrenveredelung Sein Unternehmen mit Sitz im Londoner Stadtteil Mayfair hat heute den Luxusgüterkonzern LVMH als Anteilseigner Auf seiner Website lassen sich Modelle der LVMH-Marken Zenith, Tag Heuer und Bulgari gegen einen Aufpreis ab rund 3000 Franken individuell konfigurieren. Darüber hinaus entwirft Bamford limitierte Sondereditionen für Hersteller wie Oris, Girard-Perregaux, Bremont oder Franck Muller

„ Blaken und Whiten: Die Gründer verfügten bereits über langjährige Erfahrung in der Metallveredelung für die Automobilindustrie, bevor sie 2011 in Deutschland eine Werkstatt für Uhrenpersonalisierungen eröffneten. Zum Angebot gehören heute DLCBeschichtungen veränderte Zifferblätter, Edelsteinbesatz, Gravuren, Skelet-

Alexander Klingbeil Geschäftsführer von Blaken PD

tierungen sowie Modifikationen an den Kalibern. Inzwischen baut die Holding auch in der Schweiz eine Präsenz auf: Unter dem Label Whiten entstehen dort Kleinserien für Privatkunden und andere Manufakturen.

„ Label Noir: Die im Jahr 2011 in Genf gegründete Marke hat sich auf schwarze Beschichtungen spezialisiert und individualisiert bis heute Uhren für Privatkunden. In Kooperation mit unabhängigen Uhrenmarken konzipiert und fertigt das Atelier limitierte Auflagen darunter für Armin Strom, Maurice Lacroix, Anonimo Louis Erard, Reservoire, Edox und Perrelet.

„ Mad Paris: Das Atelier verwandelt Uhren in Unikate und versteht sich als Neuerfinder traditioneller Techniken und Gestaltungsphilosophien. Mit Standorten in London und Paris arbeitet es mit Modedesignern und Kreativdirektoren wie Matthew Williams und Charaf Tajer zusammen, die vor allem Royal-Oak-Modelle von Audemars Piguet in monochrome oder knallbunte Kreationen verwandeln. Jüngst erhielt auch ein Modell von Jacob & Co einen neuen Auftritt.

„ Watchcraft Collection: Dieses 2015 aus einer Gruppe von Uhrensammlern entstandene Kollektiv konzentriert sich bei der Individualisierung auf die Handwerkskünste des Gravierens und Edelsteinfassens. Stammsitz ist Miami, die Mitwirkenden des Kollektivs bearbeiten Gehäuse, Metallarmbänder, Zifferblätter und trauen sich auch alte Vintage-Modelle zu modifizieren.

Die «Montoya Rose»: ein Beispiel für den Service von Artisans de Genève für einen Privatkunden
Alyx 9SM», Matthew Williams
Girard-Perregaux Deep Diver Collab mit Bamford Watch Department.
ung von Blaken für einen Privatkunden.

1. Dennison

Eleganz der siebziger Jahre

Dennison war einst ein renommierter englischer Gehäuseproduzent in Birmingham, der nicht nur britische Uhren einkleidete, sondern auch für Schweizer Uhrenmarken, darunter sogar Rolex, produzierte Wie so viele Zulieferer fiel auch dieser Hersteller der Quarzkrise zum Opfer Auf die Geschichte von Dennison aufmerksam geworden, beschloss der junge Unternehmer Stephane Cheikh vor zwei Jahren, die Marke aufleben zu lassen, allerdings als Uhrenhersteller Für das Design der ersten Kollektion wurde kein Geringerer als Emmanuel Gueit engagiert, der Mann, dem die Royal Oak Offshore von Audemars Piguet zu verdanken ist. Er schuf ein organisches rechteckiges Gehäuse im Stil der Siebziger Die Zifferblätter bestehen fast ausnahmslos aus Halbedelsteinen. Das neue Modell ALD Dual Time enthält zwei flache Quarzwerke von Ronda sowie ein zweigeteiltes Zifferblatt aus unterschiedlichen Steinen.

Ab 725 Franken

3. Louis Erard x Wire Art

Goldfäden auf dem Zifferblatt

Seit Manuel Emch 2019 die Zügel der Marke übernahm,überrascht er die Branche stets aufs Neue mit unerwarteten Kollaborationen. Louis Erard war schon immer eine Uhrenmarke im Einsteigersegment. Doch Emch hat sie zu einem Brand gemacht, bei dessen Erwähnung selbst luxusverwöhnte Sammler leuchtende Augen bekommen, indem er angesehene Namen der Haute Horlogerie für die Zusammenarbeit an limitierten Editionen mit unverkennbaren Zifferblättern gewinnen konnte, die dennoch für moderate Preise erhältlich sind. Das jüngste Modell Fil D’Or entstand in Zusammenarbeit mit dem Atelier Wire Art in Sainte-Croix und zeichnet sich durch ein Zifferblatt aus, dessen geometrisches Muster mit Linien und Schraffuren mit hauchdünnen Goldfäden «gezeichnet» wurde Dabei wird jeder einzelne der 2320 Fäden an zwei Punkten auf das Zifferblatt geschweisst.Wie immer ist die Serie auf 99 Stück limitiert. 4500 Franken

2. Amida

Mechanische Science Fiction

Als in den siebziger Jahren die ersten digitalen Quarzuhren mit LED-Displays auftauchten, herrschte die Meinung vor, so sehe die Zukunft der Uhrenmode aus Marken, die sich die elektronische Technologie nicht leisten konnten, machten grosse Anstrengungen, um den Trend auf mechanischem Weg umzusetzen. Eine der denkwürdigsten Schöpfungen war das Modell Digitrend der Marke Amida. Ähnlich wie das elektronische Modell Casquette von Girard Perregaux zeigte diese Uhr die Zeit in Ziffern in einem flachen Winkel in Richtung der unteren Bandanstösse an. Zwei Prismen lenkten den Blick auf zwei in der Ebene der Uhr liegende Scheiben mit Ziffern, die von je einer Lupe noch vergrössert wurden. Der Digitrend war leider nur ein kurzer Erfolg beschieden; sie war das letzte Modell von Amida, bevor die Firma unterging Zum Glück nicht für immer, denn nun gibt es die Digitrend wieder, auf Wunsch sogar mit einer Haube aus Saphirglas, die das Innenleben sichtbar macht.

4500 Franken 5. Mido

In allen Elementen

Irgendwo hinfliegen und am Ziel gleich ins Wasser tauchen? Das stellt für die 40,5 mm grosse Mido Ocean Star Worldtimer überhaupt kein Problem dar Die im Vintage-Stil der Siebziger gehaltene Taucheruhr ist nicht nur bis 200 Meter wasserdicht, sondern verfügt ausserdem auch über eine Drehlünette, mit deren Hilfe die Ortszeit einer der 24 wichtigsten Zeitzonen der Erde im Handumdrehen bestimmt werden kann. Zum besonderen Charme tragen die knalligen orangen Elemente auf dem Zifferblatt bei, die zusammen mit den schwarzen Zeiteinheiten ein Karomuster unter dem gewölbten Saphirglas bilden. Auch das doppelt geführte, breite Lederarmband erinnert stark an die Mode der Seventies Im Inneren der Ocean Star arbeitet ein Automatikwerk mit einer amagnetischen NivachronSpiralfeder Abgesehen von der Uhrzeit, zeigt es das Datum und den Wochentag an. Den verschraubten Edelstahlboden des Zeitmessers ziert schliesslich der für die Linie Ocean Star so typische Seestern.

920 Franken

4. Oris

Panda mit grünen Augen

Noch ein Chronograph im PandaLook? Nein, der 40 mm grosse Divers Sixty-Five Chronograph offenbart erst beim zweiten Hinschauen, dass da etwas anders ist Was zunächst wie der übliche Kontrast zwischen schwarzer Drehlünette, schwarzen Totalisatoren und silbernem Zifferblatt aussieht, schimmert unter direktem Licht in vornehmem Dunkelgrün. Besonders gut wirkt das am Gliederarmband, das, wie auch das Gehäuse, aus Edelstahl gefertigt ist. Diese Taucheruhr mit Stoppfunktion hat alles was man für das nächste Abenteuer benötigt, macht sich aber auch zum Anzug gut. Sie ist robust und dank Saphirglas gegen Kratzer gefeit, wasserdicht und zieht sich beim Tragen erst noch selbst auf Mit diesem Modell präsentiert die Marke aus Hölstein, die letztes Jahr ihren 120. Geburtstag feierte ein weiteres Modell im Vintage-Stil und mit jugendlicher Frische 3950 Franken

6. Traser

Sehen, nicht gesehen werden

Uhren der Schweizer Marke Traser bedienen sich einer ganz besonderen Technologie, um auch nachts oder bei schlechten Lichtverhältnissen perfekt ablesbar zu sein: Ihre Zeiger und Indexe sind nämlich mit winzigen Glasröhrchen bestückt, die mit einem Gas gefüllt sind. Dieses Gas wiederum bringt eine im Inneren angebrachte Beschichtung zum Leuchten. Dies geschieht, ohne dass man den Leuchtstoff am Licht jemals aufladen muss Aus diesem Grund erfreuen sich die Uhren vor allem bei Höhlenforschern, aber auch beim Militär hoher Beliebtheit. Doch gerade bei Letzterem ist Sichtbarkeit im Dunkeln nicht immer erwünscht, denn schliesslich hat der Feind auch Augen. Um diese potenzielle Schwachstelle auszugleichen, ist das 46 mm grosse Modell P99 Iris Tactical mit einem Zusatz ausgestattet: Unter dem Saphirglas befindet sich eine schwarze Irisblende, die bei Bedarf über die Drehlünette geschlossen werden kann. Die imposante Uhr wird von einem Quarzwerk angetrieben.

795 Franken

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FOTOS:
Von Timm und Andrea

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7. Baillod

Swiss Made für alle

8.

Sherpa

Eine Herzensangelegenheit

Thomas Baillod ein erfahrener Akteur der Uhrenindustrie gründete 2019 seine eigene Marke, nachdem kein Hersteller sein Konzept übernehmen wollte Dieses beruht auf einem unkonventionellen Marketing-Ansatz, bei dem alle Kosten jenseits der reinen Produktion konsequent eliminiert werden. So entstehen Swiss-Made-Uhren zu Preisen, die in der Branche für Aufsehen sorgen – etwa ein Tourbillon für 5500 Franken oder ein offiziell zertifizierter Chronometer für rund 800 Franken. Baillod gliedert seine Kollektion in nummerierte «Chapters» Im jüngsten, Chapter 8, geht es um NeoVintage Das schlichte Zifferblatt der Uhr, die es sowohl als Dreizeigervariante als auch mit Mondphase gibt erinnert an Chronometer der 1950er Jahre. Im Innern arbeitet ein Schweizer Automatikkaliber von Soprod Wie bei allen Baillod-Uhren sitzt die Krone bei 4 Uhr Dies aus ergonomischen Gründen, weil sie so am Handgelenk weniger stört.

Ab 595 Franken

9. Tag Heuer

Für einmal mondsüchtig

Wer mit dem Zug Lengnau bei Grenchen passiert, kann dort ein altes Fabrikgebäude mit einer grünen Kugel auf dem Dach vorbeiziehen sehen. Das war einst die stolze Fabrik der Marke Enicar, die 1987 infolge der Quarzkrise verschwand. Der Markenname ein Anagramm des Nachnamens von Firmengründer Ariste Racine Enicar war für seine robusten Sportuhren der Familie Sherpa bekannt, die viele Expeditionen im Himalaya begleiteten und wegen ihrer zwei Kronen unverkennbar waren. Der deutsche Ingenieur Martin Klocke ist ein Fan dieser Uhren und erfüllte sich einen Traum, indem er die Uhren von damals in moderner Form und Technik unter dem Markennamen Sherpa wieder aufleben lässt. Das 40 mm grosse Modell Ultradive Automatic ist eine Taucheruhr mit innenliegender Drehlünette für die Dekompressionszeiten, die über die zweite Krone eingestellt wird Im Inneren tickt ein Automatikwerk von Sellita. Ab 6125 Franken

10. Ming

Das Zifferblatt als Visitenkarte

Mit dem 39 mm grossen Modell Carrera Astronomer entfernt sich Tag Heuer für einmal von der Rennstrecke und besinnt sich auf Astronomie und Raumfahrt, mit der die Marke auch in der Vergangenheit eine Verbindung hatte 1962 hatte John Glenn auf seinem ersten Orbitalflug in der winzigen Raumkapsel Friendship 7 eine zur Armbanduhr umfunktionierte Stoppuhr von Heuer getragen.Auf dem Zifferblatt der neuen Uhr interpretiert Tag Heuer die altbekannte Komplikation der Mondphase auf eine neue Art und Weise, die weniger romantisch daherkommt als gewohnt Auf einem exzentrischen Zifferblattausschnitt sind die Mondphasen strahlenförmig in acht Mondalter aufgefächert. Im Zentrum der Darstellung weist ein wie eine Kompassnadel geformter Zeiger auf die aktuelle Erscheinung des Mondes Der Stahlboden ist mit der Darstellung eines Observatoriums graviert und schützt das automatische Kaliber 7 mit 50 Stunden Gangreserve.

Ab 4350 Franken

Premiere in Mechanik

Ming wurde 2017 von Ming Thein in Kuala Lumpur gegründet. Hier entsteht auch das Design dieser ungewöhnlichen Zeitmesser, die jedoch nicht wie erwartet in Fernost, sondern in der Schweiz produziert werden. Genauer ausgedrückt: im traditionsreichen La Chaux-de-Fonds Mit dem Modell 57.04 Iris feiert die ungewöhnliche Marke ihren achten Geburtstag Das klingt nach wenig, doch die Marke kann heute mit Stolz auf über 75 verschiedene Modelle und über 15 000 verkaufte Uhren zurückblicken. Wie üblich ist es das Zifferblatt, das dieses Modell einzigartig macht. Es ist wie eine Schale dreidimensional geformt und schillert in den Farben des Regenbogens Die Markierungen sind auf die Unterseite des Saphirglases gedruckt und scheinen frei über dem Zifferblatt zu schweben. Das Werk mit Handaufzug verfügt über eine Chronographenfunktion mit Drücker in der links montierten Krone Die kleine Sekunde ist eine rotierende Scheibe bei 6 Uhr

6250 Franken

12. Longines

Im neuen

Gewand

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Casio – jene japanische Uhrenmarke, die weltweit bekannt ist für den ersten Taschenrechner am Handgelenk und die unverwüstliche G-Shock, allesamt mit Digitaldisplay – dereinst auch bei mechanischen Uhren mitmischen würde? Nun ist es so weit: Die erste Linie mit mechanischen Automatikwerken unter dem Namen Black Edifice ist da. Das Flaggschiff ist aus geschmiedetem Carbon geformt, ist komplett schwarz gehalten und wird an einem ebenso schwarzen Urethanband getragen. Auch das Zifferblatt besteht aus geschmiedeter Kohlefaser Die Kohlefasern werden zunächst durch Kneten im Kunstharz getränkt um dann bei grosser Hitze in die gewünschte Form gepresst zu werden.Auf diese Weise entstehen die charakteristischen zufälligen textilen Musterungen, die jedes Gehäuse und jedes Zifferblatt zu einem Unikat machen. Die 40 mm grosse Uhr wiegt dank dem modernen Werkstoff nur 87 Gramm.

529 Franken

Longines hat das bekannte Damenmodell Primaluna von Grund auf überarbeitet und dem ursprünglich runden Gehäuse einen eleganten Übergang zum ebenfalls neu gestalteten Armband verliehen Die Uhr mit ihrer charakteristischen Mondphase bei 6 Uhr ist je nach Modell mit einem fünfreihigen Gliederarmband oder mit zur Zifferblattfarbe assortierten Lederbändern erhältlich Das Gliederarmband nimmt die geraden Linien der Bandanstösse und die abgeschrägten Flanken des Gehäuses nahtlos auf Die Lederbänder enden in einem Metallglied, welches das Gehäuse optisch verlängert. Erstmals verfügt die Uhr über ein diskretes Zeigerdatum, das in die Mondphase integriert wurde Die Uhr wird von einem Automatikkaliber mit amagnetischer Siliziumspirale und Gangreserve von über 70 Stunden angetrieben. Abgebildet die Version Blue Sapphire mit Perlmuttzifferblatt, Diamantindexen und blauen Saphiren

5650 Franken (ab 2450 Franken)

11. Casio

Ein britischer Uhren-Traum

Die englische Marke Bremont schreibt Verluste, will aber zur führenden Kraft der britischen Uhrmacherei werden Investor Bill Ackman und CEO Davide Cerrato setzen dabei auf Tradition, Britishness sowie Geduld – und vorerst wieder auf Schweizer Werke.

ANDREA MARTEL UND PIERRE-ANDRÉ SCHMITT, HENLEY-ON-THAMES

Unter grossen weissen Zelten auf grünen Wiesen werden Champagner-Cüpli und Canapés gereicht. Frauen tragen exzentrische Hüte mit Blumen und Federn, Männer Jackets mit allerlei bunten Club-Streifen, himbeerrot und weiss zum Beispiel. Es ist ein sonniger Tag Anfang Juli, und draussen auf dem Fluss gleiten die weltbesten Regattateams im Takt der Ruderblätter pfeilschnell durchs Wasser Kurz gesagt: Die königliche Henley Royal Regatta am idyllischen Henley-on-Thames, ziemlich genau zwischen Oxford und London gelegen, bietet alles, um das Prädikat «quintessentially British» zu verdienen.

Der härteste Job der Branche

Das gilt ebenso für das feine Tuch eines Herrn, der vom Ufer aus das Geschehen verfolgt und in der Uhrenbranche bestens vernetzt und bekannt ist: Davide Cerrato. Er hat beruflich entscheidende Stationen bei Panerai, Tudor und Montblanc mitgeprägt und ist seit 2023 CEO der englischen Uhrenmarke Bremont. Möglicherweise hat Cerrato damit den derzeit härtesten Job der Branche; er soll die Marke – wirtschaftlich bisher ein schlingerndes Schiff – endlich in gewinnbringende Gewässer manövrieren Seine Strategie: klarere Produktearchitektur, effizientere Produktion – und sehr viel Britishness

Dass Radikal-Remedur angesagt ist, beweisen die letzten verfügbaren Zahlen. In Grossbritannien müssen auch nicht börsenkotierte Unternehmen ihre Jahresabschlüsse regelmässig beim Handelsregister einreichen, wo sie öffentlich zugänglich sind. Per Ende Juni 2024 lag der Umsatz bei 21,5 Millionen Pfund, der Verlust betrug 8,3 Millionen Pfund Man kann davon ausgehen, dass auch 2025 nicht wirklich ein breites Lächeln auf das Gesicht der Geldgeber gezaubert hat.Anders gesagt: Für Davide Cerrato könnte der Job im schlimmsten Fall ein Himmelfahrtskommando werden, im besten Fall sein Husarenstück: Das wäre dann «vielleicht nicht mein letzter Job, aber der prägendste», sagt Cerrato: «Mein Meisterstück.»

Seine Präsenz an der Henley Royal Regatta – seit 1839 auf der Themse aus-

getragen – sollte eine Etappe auf dem Weg dazu sein. Sie hat jedenfalls gute Gründe: Bremont ist erstens offizieller Zeitnehmer am Anlass, zweitens Sponsor, drittens im Flecken Henley-onThames domiziliert und hat viertens, wie erwähnt, den Anspruch, very very British zu sein. In Tat und Wahrheit ist man allerdings auch very Swiss, wie ein anderer Herr – er very American – gerne bestätigt. Bill Ackman heisst er, ein Name, der bisher weniger in der Uhrenwelt, dafür umso mehr in der Finanzwelt bekannt war Der New Yorker Milliardär und Hedgefonds-Manager ist seit 2023 Mitbesitzer von Bremont.

Very British – und very Swiss «Derzeit kaufen wir die besten Werke der Welt», sagt Ackman. «Und die kommen eben aus der Schweiz.» Das passe historisch gesehen, durchaus zum Anspruch, britisch zu sein: «Gestern waren wir beim Auktionshaus Phillips und haben uns eine britische Uhr von 1908 angesehen», erzählt er «Das Werk darin war von Audemars Piguet. Also haben die Schweizer schon früh Werke für britische Hersteller gebaut.» Bill Ackman bekannt für seine kompromisslosen Engagements an den Finanzmärkten, tritt bei Bremont als leidenschaftlicher Sammler und Kenner auf, der schon als Jugendlicher von seinem Vater ins Uhrenthema eingeführt

wurde Er kaufte seine erste Bremont zufällig in einer Shopping-Mall in Texas –eine Begegnung, die Jahre später zur entscheidenden Beteiligung führen sollte Heute hält er – selber und über seine «Bremont Long-Term Trust»-Struktur –die Mehrheit und bezeichnet sein Engagement ausdrücklich als langfristig eine «Investition in Jahrzehnten, nicht in Quartalen» Sein Ziel: Bremont als ernsthafte Alternative im oberen Luxussegment zu etablieren – britisch im Auftritt und irgendwann auch mit einem eigenen Werk Vorerst aber mit Schweizer Präzision im Innern.

Hauptlieferant ist die Schweizer Werke-Herstellerin Sellita Bremont schreibt aufs Zifferblatt «London» und bezeichnetdieUhrendennochals«Proud ly made in the UK», weil die Uhren in England zusammengebaut werden Ob das die US-Zollbehörden auch so sehen und den vorteilhaften englischen Importzoll applizieren werden, ist laut Bremont allerdings noch unklar. Ebenso denkbar ist, dass die Herkunft der Werke für die Provenienzbestimmung ausschlaggebend ist.

170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt die von den flugbegeisterten Brüdern Nick und Giles English im Jahr 2002 gegründete Marke weltweit, 110 davon arbeiten in der Manufaktur «The Wing» genannt – ein Bau, der viel Geld verschlungen hat Das Gebäude, ein Statement in Glas und Stahl, schmiegt sich in die sanfthügelige Landschaft von Henley-on-Thames, flankiert von sattgrünen Wiesen, einer riesigen Pferdekoppel und alten Bäumen Grosszügige Fensterfronten lassen das Tageslicht tief ins Innere fallen, ein auskragendes Dach erinnert an moderne Flughafenarchitektur

Hier können in einem Showroom Uhrenfans die Zeitmesser der Marke bewundern und berühren sowie Plakate über die britische Uhrengeschichte studieren. Und hier werden Strategie sowie Storytelling ausgeheckt und die Uhren zusammengebaut: «Heute finden Design, Fertigung, Marketing, Service und Montage aller Uhren in unserem Hauptsitz in Henley statt – bis hin zur Assemblage der Werke», sagt Bill Ackman. Es gab da übrigens in der jüngeren Geschichte sehr wohl auch ein eigenes Kaliber das ENG300, doch dieses blieb ein bisher eher glückloses Kapitel. Und dass man es aufgegeben hat, haben viele

Fans der Marke noch nicht verziehen, obwohl es unvermeidlich war: «Man kann kein neues Kaliber entwickeln, wenn man nur 10000 Uhren baut», meint CEO Cerrato «Das rechnet sich erst ab 250000 Stück. Erst dann lässt sich eine Uhr mit eigenem Werk fertigen, die hochwertig und zuverlässig ist.» Heute gliedert sich das Angebot der Marke in drei Linien: «Supermarine» für Taucher und Wassersport, «Terra Nova» im robusten Field-Watch-Stil sowie «Altitude» mit Pilotenuhren und Chronographen – darunter die legendären Martin-Baker-Modelle Hintergrund: Martin Baker, seit 1934 führender Hersteller von Schleudersitzen, hat nach eigenen Angaben über 7700 Pilotenleben gerettet. Die Partnerschaft mit Bremont brachte Uhren hervor, die denselben Extremtests standhalten müssen wie die Sitze – Vibrationen, Beschleunigungskräfte und Temperaturschwankungen inklusive. Besonders die Altitude MB Meteor gilt inzwischen als künftige Ikone der Marke. Daneben laufen auch neue Modelle wie die Terra Nova mit Springender Stunde erfolgreich an; selbst ein Tourbillon und einen Ewigen Kalender hat Bremont im Angebot.

Ambitionen auf der Weltbühne

Das Ziel ist klar, man will die Nummer 1 unter den britischen Marken werden: «Absolut», bestätigt CEO Cerrato –derweil Investor Bill Ackman verwegen weiterdenkt: «Warum nur unter den britischen?» fragt er rhetorisch während eines Gesprächs an der Genfer Uhrenmesse Watches and Wonders. Bremont ist dort seit 2024 präsent und geniesst dadurch inzwischen unter den britischen Uhrenherstellern die vielleicht grösste internationale Bekanntheit In Bezug auf die produzierten Stückzahlen hat allerdings ein anderer britischer Uhrenhersteller die Nase noch vorn: der jungdynamische Konkurrent Christopher Ward: britisch vom Design her aber offiziell «Swiss Made» Auf der Themse in Henley-onThames kämpfen die Ruderteams derweil am späten Julinachmittag nach wie vor um den Pokal. Ob Davide Cerrato und Bill Ackman ebenfalls den Takt finden, der zum Erfolg führt, wird sich zeigen müssen – in Henley wie auf dem Weltmarkt.

In Henley-on-Thames steht «The Wing»: Die Manufaktur der 2002 von Nick und Giles English gegründeten Marke Bremont. Der elegante Bau dient auch als Besucherzentrum und Museum.
Bill Ackman Bremont-Investor Davide Cerrato

Der Glanz der Vergangenheit

Spektakuläre Preziosen erzielen unter dem Hammer seit Jahren phantastische Preise. Aber auch ausserhalb der grossen Juwelenauktionen erfreut sich Schmuck aus Vorbesitz und solcher mit Vintage-Charakter immer grösserer Beliebtheit.

MARIANNE ESCHBACH

Die Vergangenheit lebt In Rom zelebriert das Frauentrio des relativ jungen Labels «Le Sibille» die antike Technik des Mikromosaiks, die in der Renaissance in den Vatikanischen Werkstätten perfektioniert wurde. Dabei werden winzige Glasstückchen oder solche aus Emaille-artigem Material zu Bildern zusammengefügt Besonders raffinierte Mikromosaike zählen bis 750 der winzigen Partikel pro Quadratzentimeter Mit Schmuckstücken, die aussehen, als wären sie bei einer archäologischen Grabung entdeckt worden, haben es die Juwelierinnen, die neben der Mosaikkunst weitere alte Fertigungstechniken wiederbeleben, soeben in die kuratierte Auslage des renommierten Concept-Stores «Dover Street Market» in Paris geschafft. In London reist Jessica McCormack zurück in die Geschichte Während ihrer Zeit in der Schmuckabteilung des Auktionshauses Sotheby’s haben es der Tochter eines Auktionators Stil und Fertigungstechniken aus der georgianischen Ära angetan Das ist die Periode in der englischen Geschichte von 1714 bis 1837, in der die Hannoveraner Könige George I. bis IV auf dem britischen Thron sassen Seit 2008 vermählt Jessica McCormack in ihren Kollektionen gekonnt den Charme der Vergangenheit mit zeitgenössischem Design und begeistert damit nicht nur prominente Kundinnen wie Billie Eilish, Zendaya, Zoé Kravitz, Demi Moore, Scarlett Johansson und Victoria Beckham. Der Erfolg hat ihr neben ihren zwei Adressen in London gerade ein drittes eigenes Geschäft an der Madison Avenue in New York eingebracht.

In Paris erweist das in den 1950er Jahren gegründete Atelier Goossens, das virtuos Goldschmiedekunst und die Herstellung von Dekorationsobjekten vereint, das zudem für Coco Chanel arbeitete und das heute zum Chanel-Imperium gehört, in seiner neuen Kollektion «Renaissance» aus vergoldetem Messing und gefärbten BergkristallCabochons der Opulenz des 15 und 16 Jahrhunderts seine Reverenz

Der Stil ist das Logo

Neben neuen Marken die ihrem Schmuck eine unverkennbar, und aktu-

ell sehr gefragte historische Note geben, erfreuen sich auch echt antiker und sogenannter Vintage-Schmuck immer grösserer Beliebtheit Als «Vintage» gilt heute bereits Schmuck aus den 2000er Jahren, während solcher mit einem Alter ab 100 Jahren als antik bezeichnet wird Oscar R. Steffen, der Inhaber des gleichnamigen spezialisierten Geschäftes in Zürich, verkauft seit sechs Jahren erfolgreich seine persönlich zusammengesuchten Trouvaillen. Der frühere Schmuckchef von Bucherer hat sich auf Preziosen aus den Jahren 1720 bis 1970 spezialisiert Unter seinen Schätzen finden sich u.a. unkonventionelle Stücke des Pariser Juweliers René Boivin (1864 bis 1917) und der talentierten Mitarbeiterin aus dessen Firma Suzanne Belperron (1900 bis 1983), die von Boivins Witwe Jeanne – der Schwester des Couturiers Paul Poiret – nach René Boivins Tod eingestellt wurde. Die Namen Boivin und Belperron und ihre kühnen, bisweilen dramatischen und modernen Entwürfe, die sich durch markante und geschwungene Linien vom damals tonangebenden Art Déco unterscheiden, zählen heute zu den gesuchtesten in der Welt des Vintage-Schmuckes Suzanne Belperron, die aus dem französischen Jura stammte hatte die Angewohnheit, ihren Schmuck nicht zu signieren. Ihr Stil sollte ihre Unterschrift sein. Mit dieser Haltung war Suzanne Belperron nicht allein. Trotz Branding-Boom der letzten Jahrzehnte ist der meiste Schmuck nicht gekennzeichnet Es braucht also ein geschultes Auge und Fachkenntnis, um die guten Stücke zu identifizieren und allenfalls einer Kreateurin oder einem Kreateur zuzuordnen. Vorhandene Originalverpackungen, Zertifikate und Kaufbelege sind deshalb zumindest hilfreich, wenn nicht gar wichtig

Um den Wert eines alten Schmuckstückes zu bestimmen, zählen nicht nur die Materialien aus dem es gefertigt ist, und die Qualität der Ausführung sondern auch die Marke und ein allenfalls illustrer Vorbesitz. «Grosse Namen in der Liga von Cartier, Bulgari oder Tiffany & Co erhöhen den Preis eines Stückes um den Faktor zwei oder drei», weiss Oscar Steffen. Sie seien aber auch ein ziemlich guter Garant für dessen Werterhaltung Eines seiner Lieblingsstücke in den Vitrinen ist jedoch ein

etwa 4 x 6 cm grosser Art-Déco-Anhänger aus Platin mit Altschliffdiamanten, Rubin, Saphir, Smaragd, Koralle und Perlmutt mit Schakal- und Kranichmotiven Trüge das sublime Stück im ägyptischen Stil aus dem Jahr 1925 eine Herkunft, wäre es einen sechsstelligen Betrag wert. Ist man also bereit, beim Kauf von Schmuck aus Vorbesitz allein auf die Qualität des Materials und der Arbeit zu schauen, kann man preislich durchaus Interessantes finden. Kommt der Name einer berühmten Marke hinzu, oder derjenige einer berühmten Vorbesitzerin wird es teurer Ganz allgemein zeigen die Preise von VintageSchmuck nach oben. Und der Markt wächst, weiss Oscar Steffen. Im Vergleich zum Markt für gebrauchte Uhren sei der Schmuckmarkt ausser bei den regulierten Diamanten und variablen internationalen Standards für farbige Edelsteine wesentlich weniger transparent. «Uhren sind ein Sachkauf», stellt Oscar Steffen fest, «Schmuck hingegen ist immer ein emotionaler Kauf.» Vintage-Schmuck fasziniert den Experten wegen seiner Verarbeitung, wegen seiner Einzigartigkeit – früher wurde er nicht in Serie gefertigt, sondern von Hand als Einzelstück und zwar in Europa und auch in den USA. Die Steine sind unbehandelt und sie sind oft aus Minen, aus denen heute nichts mehr gefördert wird. Ins Gewicht fällt auch – wie bei allem, das nicht neu angefertigt wird – die Nachhaltigkeit. In Schmuck mit den Prädikat «pre-owned» oder emotionaler «pre-loved» wurde kein Joule Energie mehr investiert. Das sind Überlegungen die sich immer mehr Leute machen, bevor sie ein Juweliergeschäft betreten

Beliebtes Art Déco

Der beliebteste Stil bei Schmuck vom Sekundärmarkt ist Art Déco Letzterer wirkt mit seinen klaren geometrischen Linien und seiner Reduktion auf die Farben Weiss von Diamanten und Schwarz von Onyx sowie wenigen bunten Tönen in Rot (Rubin, Koralle), Grün (Smaragd, Jade) und Blau (Saphir) zeitlos modern und elegant. In Zürich ist das Geschäft Régine Giroud AG Juwelen seit 40 Jahren auf diese Epoche spezialisiert, deren Blütezeit in den Jahren 1920 bis 1940 lag. Geschäftsführer und seit letz-

Schmuck aus vergangenen Jahrzehnten ist einzigartig –er wurde nicht in Serie gefertigt, sondern als Unikat von Hand.

tem Jahr auch Inhaber Reto Schmidlin hat ebenfalls eine Passion für die Einzigartigkeit dieser Schmuckstücke, handelt es sich doch meistens um Unikate, die bei Verlust oder Beschädigung nicht ersetzt werden können. Reto Schmidlin kauft an verschiedenen Orten ein, auch auf Messen. Die Nachfrage nach Schmuck aus vergangenen Jahrzehnten sei stark angestiegen, sagt auch er Es werde immer schwieriger schöne und Top-Stücke zu bekommen. Die romantische Schatzjäger-Vorstellung vom Flohmarktfund, der sich als Kostbarkeit erweist, bewahrheite sich kaum mehr Zu den gefragtesten Marken im Bereich des Art Déco zähle Cartier «Stücke aus den 1920er Jahren von Cartier findet man kaum noch», weiss Schmidlin, «und wenn, bezahlt man horrende Preise dafür.» Die Knappheit gründe einerseits auf der Tatsache, dass allgemein viel Geld im Umlauf sei und viele Leute sich etwas Besonderes wie ein Einzelstück mit einer Geschichte leisten wollten statt etwas ab Stange Andererseits würden Schmuckhäuser ihre Preziosen fürs eigene Archiv zurückkaufen, erklärt Reto Schmidlin. Im Moment sei zum Beispiel Van Cleef & Arpels ziemlich aktiv darin.

Archive und Ausstellungen

Grosse Häuser wie Bulgari und Cartier pflegen und kuratieren ihre Geschichte und ihre Archive sorgfältig So hortet Cartier in den eigenen Schatzkammern u.a. die berühmten Pantherund Flamingo-Broschen aus dem Besitz der Herzogin von Windsor und das spektakuläre Krokodil-Collier der mexikanischen Filmdiva María Félìx An der Geschichte des edlen Schmuckes darf

die Öffentlichkeit immer mal wieder teilhaben. Zum Beispiel in grossen Ausstellungen wie gegenwärtig derjenigen von Cartier im Victoria & Albert Museum in London (bis 16 November 2025). Oder gar in den Archiven selbst: In Bulgaris «Domus» an Roms Via Condotti, der Stammadresse des Haues können historische und Vintage-Stücke besichtigt werden Cartier bietet zudem seit etwa 30 Jahren im Programm «Cartier Tradition» ausgesuchte Vintage-Stücke aus den eigenen Werkstätten zum Kauf an Bei Chanel ist man stolz auf die Historie des hauseigenen Diamantschmuckes, den Coco Chanel 1932 als erste Modemacherin lancierte. Bis dahin gab es aus Couturehäusern nur Modeschmuck. Die Initiative der London Diamond Corporation zur Zusammenarbeit mit der erfolgreichen Couturière und Modeunternehmerin sollte dem Diamantenmarkt nach der grossen Depression wieder zu altem Glanz verhelfen Die originale KometenBrosche aus Mademoiselle Chanels Kollektion «Bijoux de Diamants» ist eine Art Talisman und Inspirationsquelle des Hauses und das mündete vor drei Jahren zum 90. Geburtstag der Juwelen-Premiere in die Haute-Joaillerie-Kollektion «1932» aufgenommen worden Tradition und Geschichte sowie Seltenheit nähren neben dem monetären Wert die Begehrlichkeit und Nachfrage nach besonderem Schmuck

Junges Vintage im Trend

Besonders zum Tragen kommt dies immer wieder in den sogenannten Jewellery-Sales, den grossen Schmuckversteigerungen. Max Fawcett, Head of Jewellery für Europa, den Mittleren

Osten und Afrika beim auf dem Gebiet führenden Auktionshaus Christie’s, weiss: «Signierte Stücke der begehrtesten Häuser haben einen Höhenflug erlebt, und die Nachfrage ist in den letzten zehn Jahren nicht zurückgegangen Dieses wachsende Interesse geht einher mit der Entwicklung von HeritageKollektionen durch alle wichtigen Häuser, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten intensiviert hat.» Wo verortet er den Trend? Heute bestehe ein starkes Interesse an Vintage-Schmuck aus den 1970er, 1980er und frühen 1990er Jahren, erklärt Max Fawcett. Ein gutes Beispiel dafür sei die «Monete»-Kollektion von Bulgari. Der Schmuck mit antiken römischen Münzen erschien erstmals 1966 und wurde von Filmdiven wie Elizabeth Taylor und Grace Kelly geliebt. Später, in den 1980er Jahren brachte Bulgari eine zweite Welle von Schmuckstücken heraus, die sich um antike Münzen drehten, und 2022 kam eine dritte Kollektion auf den Markt. Anfangs konzentrierte sich der Auktionsmarkt hauptsächlich auf Stücke aus den 1960er Jahren, aber in den letzten zwei bis drei Jahren habe sich das Interesse auf Stücke aus den 1980er Jahren ausgeweitet. Der Sekundärmarkt werde in diesem Fall sein Interesse schneller auf die Stücke aus dem Jahr 2022 richten, da frühere Exemplare schwieriger zu finden seien. Max Fawcett sieht grosses Potenzial in Vintage-Schmuck neueren Datums: «Je weiter wir in der Zeit voranschreiten, desto mehr ‹Vintage›-Schmuck wird auf dem Markt verfügbar sein, was bedeutet, dass Schmuckstücke aus den frühen 2000er Jahren bereits heute als Vintage gelten können.» Allerdings unterliege früher Vintage-Schmuck einer natürlichen Be-

schränkung, da zum Beispiel Stücke aus den 1960er Jahren des legendären Tiffany-Designers Jean Schlumberger nicht nachgebildet werden können und wenn Stücke auf dem Markt erscheinen, sei die Wertsteigerung global Wohingegen es etwas anders aussehen kann bei ikonischen Designs jüngeren Datums. Max Fawcett: «In den späten 1970er und 1980er Jahren wurden Schmuckkollektionen für den Alltag populär, wie beispielsweise die Armbänder ‹Love› oder ‹Le Clou› von Cartier und die ‹Alhambra›-Kollektion von Van Cleef & Arpels, die in viel grösseren Stückzahlen produziert wurden. Aber auch hier gelten Stücke aus den frühen Jahren und bestimmte Steinsorten der ‹Alhambra›Kollektion als begehrtes Vintage.» Dinh Van sei ein weiteres Beispiel: «Der berühmte ‹Two Pearl›-Ring des französischen Designers Jean Dinh Van, den er Ende der 1960er-Jahre entworfen hatte, wurde 2003 in die Sammlung des Musée des Arts décoratifs in Paris aufgenommen. Ein weiteres Exemplar war Teil der Ausstellung, die Christie’s Paris Anfang September anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der Designs von Dinh Van ausgerichtet hat.»

The Sky is the Limit Der ungekrönte König unter den lebenden Juwelieren, was die Preise auf dem Sekundärmarkt betrifft, ist der in Paris arbeitende New Yorker Joel Arthur Rosenthal (Jahrgang 1943), bekannt unter dem Kürzel JAR. Der geheimnisvolle Autodidakt, der nie Interviews gibt, nie Werbung macht, dessen schuhschachtelgrosse Adresse in Paris keine Auslagen im Schaufenster hat und der

sich seine Kunden aussucht, ist das beste Beispiel für Schmuck, der seinen Wert nicht nur erhält, sondern sofort steigert JAR-Kreationen erzielen in Auktionen atemberaubende Preise «Joel Arthur Rosenthal ist eine lebende Ikone, die aus allen möglichen Materialien die exquisitesten Schmuckkompositionen herstellt» erläutert Max Fawcett. «Ohne Boutique oder Einzelhandelsorganisation ist es sehr schwierig, ein Stück von JAR zu kaufen, und man kann nicht einfach bei ihm klingeln, da er nur für Kunden seiner Wahl kreiert. Wenn ein Stück oder eine Kollektion von JAR auf den Markt kommt ist der Hype gross und Sammler weltweit sind bereit, zu bieten.» Das letzte Mal war dies im vergangenen Juni der Fall, wo der von JAR gefasste historische rosa Diamant «Marie-Thérèse» – einst im Besitz von Marie-Antoinettes Tochter – bei Christie’s Magnificent-Jewels-Auktion in New York einen Verkaufspreis von fast 14 Millionen Dollar erzielte und damit einen doppelten Rekord aufstellte; für einen pinken Diamanten und für ein Stück von JAR. Der Schätzpreis hatte übrigens bei drei bis fünf Millionen Dollar gelegen. Und der nächste Hype steht bereits ins Haus Der EMEA-Chef von Christie’s freut sich am kommenden 11 November in Genf den «The Mellon Blue» anbieten zu können, einen exquisiten blauen Diamanten mit einem Gewicht von 9,51 Karat und einer hervorragenden Farbe Er gehörte einst der amerikanischen Philantropin, Kunstsammlerin und Landschaftsarchitektin Rachel «Bunny» Lambert Mellon, bekannt als «Garten-Königin» und geht mit einer Schätzung von 20 bis 30 Millionen US-Dollar ins Bieter-Rennen. Was aber, wenn das Schmuckerbe der lieben Tante nicht ein Millionendiamant ist, sondern in Gestalt einer bieder anmutenden Parüre aus Gelbgold-Arabesken mit Rubinen daherkommt, die einem nicht spontan die Freudentränen in die Augen treibt? Oscar Steffen rät, alte Schmuckstücke, die einem im Moment nicht attraktiv zum Tragen erscheinen, nicht unbesonnen wegzugeben oder voreilig zu verramschen – sondern, sie aufzubewahren. Gut möglich, dass sie in fünf oder zehn Jahren in begehrlichem Licht erscheinen werden Der Glanz der Vergangenheit strahlt nicht nur ins Heute sondern auch in die Zukunft

Linke Seite oben: Ring «Bague Facetée», Gelbgold, Platin, Diamanten, von Suzanne Belperron, 1932.

Linke Seite unten: Art-Déco-Anhänger im ägyptischen Stil aus Platin mit Diamanten Saphir Smaragd, Koralle Perlmutt, ca. 1925.

Rechte Seite oben: Brosche aus Platin mit Amethyst, Saphir, Diamanten von Cartier London, 1933. Foto:Vincent Wulveryck, Collection Cartier, © Cartier

Rechte Seite unten: Antike Schmetterlingsbrosche mit Diamanten, Frankreich, Ende des 19. Jh

Rechte Seite Mitte: Ring «The Mellon Blue» mit aussergewöhnlichem «fancy vivid blue» Diamant (9.51 Karat) Fotos: PD

Elektronische Uhren, lange verachtet, mausern sich zum Sammlerobjekt.

PIERRE-ANDRÉ SCHMITT

Der Blick auf das Handgelenk jüngerer Leute macht die Sache deutlich: Die Quarzuhr auch die digitale ist auf dem Vormarsch «Megacool» sagte etwa kürzlich an einem Freestyle-BMXContest im Jura ein junger Mann mit üppig tätowiertem Arm und HipsterBart. Auf seine kleine digitale Casio angesprochen: «Ich liebe diese Uhr.» Was Olivier Müller, langjähriger Branchenkenner und Gründer der Beratungsfirma LuxeConsult, kaum erstaunen dürfte. Die Generation Z, so urteilt er, interessiere sich generell für Produkte aus den 1970er bis 1980erJahren: Autos, HiFi-Geräte, Klamotten – und natürlich Uhren. «Mehr als das Innere fasziniert dabei das Design», sagt er, «und gerade ein digitales Display gilt als echtes Style-Statement.» Noch sei zwar keine Massenbewegung zu konstatieren, «aber das Interesse an der Quarzuhr ist zweifelsfrei wachsend» Ein Trend? Dass die Quarzuhr an Terrain gewinnt, nicht nur die digitale, lässt sich ganz klar mit Zahlen belegen: «In den vergangenen drei Jahren ist die Popularität von Quarzuhren auf dem Sekundärmarkt deutlich gestiegen», beobachtet man etwa bei der Internetplattform Chrono24: Ihr Marktanteil wuchs insgesamt um 37 Prozent – und zwar in Bezug auf den Wert Gemessen an den Stückzahlen, dürfte die Sache noch klarer ausfallen, denn Quarzuhren sind in der Regel günstiger als ihre mechanischen Pendants Besonders ausgeprägt so Chrono24, sei dieser Trend bei den unter 30-jährigen Käufern. Hier ist der Anteil von Quarzuhren von 4,4 auf 7,3 Prozent geklettert. Aber auch in den übrigen Käufergruppen hat der Marktanteil zugelegt: von 4,0 auf 5,2 Prozent Spitzenreiter, gemessen an den Umsatzzahlen, seien die Quarzversionen der Cartier Tank Cartier Panthère und Omega Seamaster.

Balazs Ferenczi, Head of Brand Engagement bei Chrono24, sieht in der Quarzuhr deshalb sehr wohl Potenzial. Man habe das etwa an der MoonSwatch beobachten können, die für enorme Aufmerksamkeit sorgte: Gerade für die Generation Z, meint auch er, stehe weniger die mechanische Prestige-Frage im Vordergrund als Design, Kultur und ein individuelles Statement

Die Schweiz als Quarzpionierin

Die MoonSwatch zeigt etwas Zweites: Wer die Produktion von Quarzuhren allein in Japan verortet, ist schwer auf dem Holzweg Zwar dominieren hochwertige mechanische Uhren von Marken wie Rolex, Patek Philippe, Audemars Piguet oder Omega die öffentliche Wahrnehmung, doch die Schweiz exportiert nach wie vor doppelt so viele Quarzuhren wie mechanische: 2024 gingen rund 10 Millionen elektronische Uhren ins Ausland, aber nur 5 Millionen mechanische Interessant dabei:Auch im Quarzbereich spielt die Schweiz in der ersten Liga Beispiel Cartier Tank Solarbeat:Aussen sieht die Uhr klassisch aus ihr Design ist in ihren Grundzügen ja in der

1970

Tat schon über 100 Jahre alt. Doch das Innenleben ist pures Hightech: Das Zifferblatt der Uhr mit gebläuten Zeigern lässt Licht durch die römischen Ziffern auf Fotozellen treffen, die das Werk ausreichend mit Energie versorgen Beispiel Tissot PRC 100 Solar: Diese Uhr ist ein technischer Wurf Schon zehn Minuten Licht genügen, um das Werk für 24 Stunden anzutreiben, voll aufgeladen, tickt sie auch im völligen Dunkeln bis zu 14 Monate weiter. Das Raffinierte dabei: Eine bienenwabenförmige Solarzelle liegt direkt unter dem Glas – und bleibt unsichtbar Doch sie liefert zuverlässig Energie «Kaum im Laden», jubelt ein Deutschschweizer Uhrenhändler, «sind die Stücke auch schon verkauft.»

Tatsache ist, dass die Schweiz in der Geschichte der Quarzarmbanduhr das erste Kapitel schrieb 1967 stellte

das Centre Électronique Horloger in Neuenburg die Kaliber-Prototypen Beta 1 und Beta 2 vor – Quarzwerke, deren Präzision Tester zum Staunen brachte: Sie waren zehnmal genauer als jede mechanische Uhr Bei einem Präzisionstest des Neuenburger Observatoriums erreichten die Wunderwerke die Plätze 1 bis 10 – die japanische Marke Seiko blieb mit einem hurtig zusammengestiefelten Quarzwerk abgehängt auf den Rängen 11, 13, 14 und 15

Avantgarde der Elektronik

Zwei Jahre später folgte mit dem Schweizer Kaliber Beta 21 die indus-

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trielle Krönung dieser Forschung, verbaut zum Beispiel in rund 10000 Exemplaren des Modells Omega Electroquartz. Für einen kurzen Moment war die Schweiz also nicht nur Hüterin der Uhrmacherkunst, sondern auch Avantgarde der Elektronik. Dann indes zündeten die Japaner den Turbo – wohingegen das Beta 21 ein zwar glänzendes, aber kurzes Kapitel des Schweizer Pioniergeistes blieb Was uns zur Marke Rolex führt, die an vorderster Front dabei war und –man staunt – eine kurze Zeit ebenfalls

Mit der Swatch führte Nicolas Hayek die Schweiz aus der Uhrenkrise – der wohl wichtigste Meilenstein in Sachen Schweizer Quarzuhren.
Kaliber Beta 21
Uhr rise – wichtig e ilenstein in Sa en Quar
Seiko Astron
Hamilton Pulsar
Girard Perregaux Kaliber 350

der Quarzuhr

Und die Schweiz hat in dieser Disziplin überraschend viel zu bieten

Quarzuhren gebaut hat. Sie sind besonders rar und bei Sammlern entsprechend gesucht. Rolex gehörte zu den insgesamt 16 Schweizer Uhrenmarken, die sich im Centre Électronique Horloger (CEH) engagierten und am Gemeinschaftswerk Beta 21 mitwirkten. Doch die Genfer Manufaktur war vom Ergebnis nicht überzeugt, so der «Uhrenpapst» und Kenner Gisbert Brunner in seinem brandneuen Buch «The Watch Book Rolex – Next Generation»: Die Qualität des «opulenten Uhrwerks» habe nicht dem entsprochen, «was man sich in Genf erwartet hatte» Rolex besserte also nach und präsentierte anschliessend am 5. Juni 1970 die luxuriöse Referenz 5100, von Sammlern gerne «Texano» genannt, im massiven Goldgehäuse mit dem markanten Design von Stardesigner Gérald Genta Nach rund 1000 Exemplaren zog sich Rolex jedoch vom CEH zurück

Stattdessen begann man, eigene Quarzwerke zu entwickeln: 1977 debütierten die Kaliber 5035 und 5055 in der Rolex Oysterquartz. Kantige Gehäuse mit integriertem Band unterstrichen die Abgrenzung von der Mechanik. Rund 25 000 Stück entstanden – eine kleine Serie die der Oysterquartz heute Kultstatus verleiht

Weiteres Beispiel: 1970 präsentierte die Manufaktur Girard-Perregaux ihre erste industriell gefertigte Quarzuhr Bahnbrechend war dabei der technische Massstab, den das Kaliber 350 setzte: Das Werk arbeitete mit einer Schwingfrequenz von 32 768 Hertz – ein Wert, der sich rasch durchsetzte und bis heute den globalen Standard für Quarzwerke definiert.

Vier Jahre später folgte dann eine Antwort von Omega. Mit der Marine Chronometer lancierte die Marke 1974 die erste Quarzuhr mit offiziell als Chronometer zertifiziertem Kaliber Die Präzision war schlicht revolutionär: eine Gangabweichung von lediglich ±12 Sekunden – pro Jahr Damit gilt die Marine Chronometer bis heute als eine der genauesten Serienarmbanduhren ohne Temperaturkompensation. Temperaturkompensation, dies nebenbei, nennen Ingenieure Lösungen, welche die von Temperaturveränderungen provozierten Gangschwankungen elektronisch korrigieren.

Eine gesuchte Rarität ist heute auch die legendäre Girard-Perregaux Casquette von 1976, deren futuristisches LED-Design mit seitlicher Anzeige den «Space Age»-Zeitgeist prägt. Oder die 1984 präsentierte Longines V.H.P – das Kürzel steht für Very High Precision –, die mit einer Abweichung von nur ±10 Sekunden pro Jahr die Schweizer Präzisionsansprüche im analogen Quarzsegment unterstrich. Beide Uhren wurden später wieder neu aufgelegt – technisch verbessert. Was auch für die Hamilton Pulsar gilt, die erste Armbanduhr der Welt mit digitaler Anzeige, 1972 in den USA lanciert.

Zwischen Kult und Massenware

Doch Ehre, wem Ehre gebührt: Die Schweiz startete zwar fulgurant in die Elektronik, allerdings positionierte man Quarz zunächst als technologisches

Prestigeobjekt im Hochpreissegment und verlor damit rasch an Fahrt. Japan setzte auf eine andere Strategie –und hatte bald die Nase vorn: Nach der Seiko Astron (1969), die noch sagenhafte 450 000 Yen kostete, was dem Preis eines Toyota Corolla entsprach, investierte man erfolgreich in die Massenuhr mit vereinfachter Technik und vor allem: kleinen Preisen

Mit verheerenden Folgen für die Schweiz: Die Uhrenexporte brachen ein, zwei Drittel der Arbeitsplätze wurden dezimiert. Erst die Lancierung der Swatch führte das Land aus dem Tal der Tränen zurück auf die Karte der wichtigen Uhrenationen. Sie war überdies der wohl wichtigste Meilenstein in Sachen Schweizer Quarzuhr.

In Japan sinnierte derweil ein gewisser Ibe Kikuo, damals junger Designer

bei Casio über die ultimativ robuste Uhr. Ihm war aufgefallen, dass auf einer Baustelle nahe des Casio-Forschungszentrums kein Arbeiter einen Zeitmesser trug – zu gross war wohl die Gefahr, dass Vibrationen von Schaufeln, Presslufthämmern oder Vorschlaghämmern jedes herkömmliche Modell zerstörten. Ibe Kikuo schloss daraus dass es eine Nachfrage nach einer Armbanduhr geben müsse, die selbst den harten Bedingungen auf einer Baustelle standhält. Mit seinem kleinen Team – es hiess «Team Tough» – formulierte er drei klare Vorgaben: Zehn Jahre müsste die Batterie durchhalten, zehn Bar müsse die Wasserdichtheit betragen, was einer Tiefe von 100 Metern entspricht, und Stürze aus zehn Metern Höhe auf einen harten Boden habe die Uhr schadlos einzustecken. Ergebnis: 1983 kam die erste G-Shock auf den Markt – nach mehr als 200 Prototypen. Bis heute wurden über 130 Millionen Stück verkauft, die G-Shock gilt als eine der erfolgreichsten Uhrenlinien der Welt.

Ebenbürtige Wunderwerke

Japan war am Ball: Seiko präsentierte 1978 die Twin Quartz, deren doppelter Quarzkristall Temperaturabweichungen ausglich und die Ganggenauigkeit auf wenige Sekunden pro Jahr verbesserte Ein Vierteljahrhundert später folgte mit dem Spring Drive eine ebenfalls innova-

tive Lösung: ein Hybrid, der die Energie eines mechanischen Werkes mit der Präzision einer Quarzregelung verband –erkennbar am lautlos gleitenden Sekundenzeiger, der heute viele Grand-SeikoModelle auszeichnet. Citizen wiederum setzte mit der 1995 lancierten Eco-Drive ein Zeichen, indem das Unternehmen für Massenuhren Solarenergie nutzbar machte und den Batteriewechsel praktisch überflüssig werden liess. Die Liste liesse sich verlängern, leidenschaftlich wird in einschlägigen Foren darüber diskutiert. Ein Fan auf dem Forum Reddit r/Watches etwa sieht es so: «Ich bin davon überzeugt, dass Quarzuhren genauso technische Wunderwerke sind wie traditionelle mechanische Uhren.» Und auch Experten glauben an deren Zukunft: «Quarzuhren, die heute als ikonisch gelten» so Balazs Ferenczi von Chrono24, «könnten sehr gut die Sammlerstücke von morgen sein.»

FOTOS: PD
Omega Marine Chronometer
Swatch
Casio G-Shock
Citizen EcoDrive Solar
Tissot PRC 100 Solar

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