WARUM DIESES BUCH?
VORWORT DES HERAUSGEBERS
Unzählige Leben sind bereits durch das vorliegende Buch von Kyle Idleman verändert worden, unsere eingeschlossen. Mit dieser neuen Auflage der deutschen Übersetzung möchten wir dazu beitragen, dass die Schätze rund um das Thema
„Entlarve Götzen – Der Kampf um dein Herz!“ auch in den kommenden Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz weiterhin zugänglich sind.
Es ist uns ein besonderes Vorrecht, als Herausgeber einige Punkte betonen zu können, die uns bei diesem spannenden Thema besonders bewegen.
Gott wirbt um dein Herz
Das möchten wir hier gleich zu Anfang deutlich hervorheben: Derjenige, der am allermeisten, leidenschaftlichsten und geduldigsten um dein Herz kämpft und wirbt, es ruft, begehrt und besitzen möchte, sind nicht die Götzen, sondern GOTT!
Rechne also damit, dass Gott selbst dir in den kommenden Kapiteln begegnen will. Wo auch immer du seinen Ruf und sein Werben hörst, kehre um zu ihm. Er ist der einzige Gott, der dein Herz nicht nur bestimmen, beherrschen oder besitzen will, sondern es erlösen und in Freiheit führen kann.
Götzen - Was haben sie mit deinem Leben zu tun?
Während wir Menschen seelsorgerlich begleiten und jüngerschaftlich trainieren, fällt uns immer wieder auf, dass Christen in unserer Zeit zwar häufig an innere Heilung und Befreiung von seelischer und körperlicher Not glauben, ihnen jedoch vielfach die Therapieansätze und Wege Gottes gänzlich unbekannt sind. Begriffe wie Götzen, Fleisch, Dämonen, Sünde oder Knechtschaft klingen für sie altbacken und lebensfern.
Das erste der 10 Gebote „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus herausgeführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir!“ (2. Mose 20,2-3; ELB) scheint weitgehend irrelevant für das Leben vieler Christen. Bei Götzen denken wir an Buddha-Statuen im Garten oder an Götterfiguren, die man in fernen Ländern als Souvenir kaufen kann.
Wie überaus brisant und aktuell das Thema Götzendienst aber tatsächlich für jeden von uns ist, haben nur wenige entdeckt.
Wir wünschen dir, dass du beim Lesen immer wieder solche AhaErlebnisse hast und staunend sagen kannst: „So habe ich das noch nie gesehen! Das betrifft ja mich und mein Leben!“
Der Kampf um dein Herz
Kyle Idleman nimmt uns auf sehr praxisnahe und herrlich überführende Weise in diese Konfrontation mit den Götzen, die unser Leben bestimmen wollen, hinein. Ihre Realität wird dadurch erstaunlich greifbar – und die Abwendung von Götzendienst sowie die Umkehr und Hinwendung zu Gott werden als zentrale Punkte der Jüngerschaft sichtbar.
Mögen unsere Augen geöffnet werden, sowohl für die Dynamiken menschlicher Gebundenheiten als auch für den geistlichen Kampf von unsichtbaren Mächten, Festungen und Dämonen, die hinter den Götzen stehen. Und mögen wir dabei immer wieder darüber staunen, dass sich diese gigantische, kosmische Auseinandersetzung in unseren kleinen, menschlichen Herzen entscheidet.
In diesem Kampf des Glaubens sind wir diejenigen, die die größte Macht über alle Belange unseres Herzens haben. Wir wählen, wem wir unser Herz öffnen oder verschließen. Und wir müssen wissen: Menschliche Herzen werden immer jemanden oder etwas anbeten – wenn nicht Gott, dann die Götzen unserer Wahl.
Das Königreich Gottes
Als Kingdom Impact Verlag sind wir bekannt dafür, dass wir es lieben, das Königreich Gottes zu verkündigen und Menschen dabei zu helfen, im Alltag einen lebendigen Zugang zum Reich Gottes zu bekommen.
Dabei kommen wir um das Thema Götzendienst einfach nicht herum. Tatsächlich ist dies eines der großen Hindernisse, das uns den Zugang zur Realität des Königreiches Gottes verwehren kann:
„Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener […] werden das Reich Gottes ererben.“
1. Korinther 6,9-10
Das ist eine schockierend klare Ansage und gleichzeitig eine erstaunliche Einladung:
Dienen und gehorchen wir Götzen, so haben wir keinen Anteil am Reich Gottes. Dienen wir aber Gott, so steht uns das ganze Königreich Gottes und seine Herrlichkeit offen.
Und genau das macht dieses Buch so bedeutsam: Es ruft dich aus der Gefangenschaft hinein in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes - und in den Dienst des allerbesten Herrn!
Monika Flach & Esther Baumann Verlag Kingdom Impact
DER KAMPF UM DEIN HERZ
KAPITEL 1
WIE ALLES BEGANN ...
Es war nur ein schlichtes Gespräch mit meiner achtjährigen Tochter Morgan am Abend. Doch es veränderte mein Leben und meine Gemeinde.
Ich saß auf ihrer Bettkante, um das Nachtgebet mit ihr zu sprechen. Aber vorher hatte sie für mich noch eine Überraschung auf Lager. Sie hatte etwas auswendig gelernt und wollte es mir unbedingt zeigen.
„Papa“, meinte sie, „soll ich dir die Zehn Gebote aufsagen?“
„Du kannst sie alle auswendig?“
Sie lächelte stolz.
„Sehr gut“, erwiderte ich, gleichfalls lächelnd. „Dann mal los!“
Ich legte mich neben sie und hörte zu, während sie sich durch die bedeutendsten „Top Ten“ aller Zeiten arbeitete, die ursprünglich auf Steintafeln niedergeschrieben worden waren und in 2. Mose 20 festgehalten sind.
In singendem Tonfall sagte sie sie auf: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben … du sollst dir kein Bildnis machen.“
Und so weiter. Als sie fertig war, meldete sich mein „innerer Lehrer“. Ich meinte: „Morgan, das war toll! Aber sag mal: Hast du schon einmal eins der Gebote gebrochen?“
Wieder lächelte sie, dieses Mal jedoch nicht schüchtern, sondern eher schuldbewusst. Ungefähr so, wie ich lächele, wenn mich meine Frau fragt, was denn mit den sauren Fruchtgummis passiert ist, die eigentlich für die Frühstücksdosen unserer Kinder vorgesehen waren. Ich konnte Morgan ansehen, dass sie versuchte, eine ehrliche Antwort zu geben, ohne sich selbst zu belasten, und beschloss, ihr zu helfen.
„Na, dann sehen wir mal“, meinte ich und rieb mir das Kinn.
„Hast du schon einmal gelogen?“
Sie nickte zögernd.
„Hast du dir schon einmal etwas gewünscht, das jemand anderem gehörte, und zwar so sehr, dass es dir am liebsten gewesen wäre, der andere würde es gar nicht besitzen?“ Wieder nickte sie, und ihr dämmerte, dass sie sich des Begehrens schuldig gemacht hatte.
Ich machte weiter. „Ich weiß, dass du niemanden umgebracht hast, Morgan. Aber warst du schon mal richtig wütend auf jemanden? Vielleicht so sehr, dass du ihn – wenn auch nur für einen Augenblick – gehasst hast? Und, Morgan, hast du vielleicht … äh, zum Beispiel … deine Eltern schon einmal nicht geehrt?“
Die Antwort darauf kannten wir beide.
Das Gespräch verlief anders, als sie sich das vorgestellt hatte.
Aber so läuft das nun einmal, wenn der eigene Vater Pastor ist.
Sie seufzte tief, und ich erkannte sofort, was das bedeutete. Es war dasselbe Seufzen, das ich manchmal am Sonntag zu hören bekomme, wenn jemand das Interesse an der Predigt verliert. Also war es an der Zeit, mit dem Predigen aufzuhören und eine Einladung auszusprechen.
Doch noch bevor ich dazu kam, leuchteten ihre Augen auf, und sie meinte: „Papa, ein Gebot fällt mir ein, das ich noch nie gebrochen habe. Ich habe mir noch nie ein Götzenbild gemacht!“
Also, darauf wollte ich unbedingt etwas erwidern.
Ich wollte meiner Tochter nämlich erklären, dass das genau das Gebot ist, das jeder von uns am häufigsten bricht.
Ich wollte ihr erklären, was Martin Luther einmal gesagt hatte –dass man die anderen neun Gebote nicht brechen kann, ohne zunächst dieses eine zu brechen. Doch als ich neben meiner Tochter lag, beschloss ich, die Theologiestunde lieber auf den nächsten Tag zu verschieben. Wir beteten zusammen und dankten Gott dafür, dass er Jesus geschickt hatte, um Sünde und
Schuld von uns zu nehmen. Als ich ging, schenkte ich ihr ein Lächeln, küsste sie auf die Stirn und sagte ihr, wie stolz ich auf sie sei, dass sie die Zehn Gebote auswendig gelernt hatte.
Doch als ich die Treppen hinunterging, fragte ich mich, wie viele Menschen die Sache mit den Götzen genauso sehen wie Morgan. Vielleicht betrachten sie die Zehn Gebote als eine weitere Sammlung von Verhaltensregeln, etwa wie die, die im Schwimmbad aufgehängt wird – am Becken nicht rennen, nicht ins flache Wasser springen oder ins Becken pinkeln. Eine lange Liste mit Regeln. Und die Regel mit den Götzenbildern haken wir schnell ab, weil wir meinen, dass wir uns ohnehin daran halten.
Immerhin hat diese ganze Sache mit dem Götzendienst mit unserer Welt nichts mehr zu tun. Das Gebot war für die damalige Zeit bestimmt, nicht für heute. Oder?
Die eintausend Stellen oder so, die sich in der Bibel auf den Götzendienst beziehen, gehen uns doch wohl nichts mehr an. Wir kennen niemanden, der sich vor einer goldenen Statue oder einem geschnitzten Götzenbild niederkniet. Ist der Götzendienst nicht den Weg der groß karierten Anzüge, Schulterpolster und Plastiksandalen gegangen? Sind wir darüber nicht längst hinweg?
Götzendienst erscheint uns etwas so Primitives zu sein. Hat irgendwie nichts mehr mit unserem Alltag zu tun. Braucht man überhaupt ein Buch über Götzendienst? Warum nicht gleich ein Buch über Regentänze und Medizinmänner schreiben?
Trotzdem ist Götzendienst das Thema Nummer 1 in der Bibel, und das sollte uns eigentlich zu denken geben. In jedem biblischen Buch wird der Götzendienst angesprochen. Mehr als fünfzig Gesetze in den fünf Büchern Mose beschäftigen sich mit diesem Thema. Im Judentum gehörte er sogar zu den vier Vergehen, für die die Todesstrafe verhängt wurde.
Als ich meinen Glauben und mein Leben durch die Brille des
Gebotes zum Thema „Götzendienst“ betrachtete, hat das meine Beziehung zu Gott von Grund auf verändert. Viele Mitglieder meiner Gemeinde haben dasselbe gesagt, nachdem wir uns intensiv mit diesem Thema beschäftigt hatten. Wir haben begriffen, wie wichtig dieses Thema ist, und das gab uns eine völlig neue Richtung vor.
Wenn wir das Leben durch diese Brille betrachten, wird deutlich, dass hier ein Krieg ausgebrochen ist. Die Götzen sind in den Krieg gezogen und man darf sie nicht unterschätzen. Die Götzen kämpfen darum, wer in meinem Herzen auf dem Thron sitzen darf. Viel steht auf dem Spiel. Alles, was mit mir zu tun hat, alles, was ich tue, alle meine Beziehungen, alles, was ich mir erhoffe, erträume oder wünsche, hängt davon ab, welcher Götze diesen Krieg gewinnt. Von dem gefährlichsten und zerstörerischsten Krieg bekommen wir meistens überhaupt nichts mit. Ich kann verstehen, dass meine achtjährige Tochter dieses Gebot noch nicht in seiner ganzen Bedeutung erfasst hatte, doch das eigentliche Problem besteht darin, dass es uns Erwachsenen in der Regel auch nicht anders geht. Ich frage mich, wie viele von uns genauso denken wie Morgan, weil sie glauben, dass sie das Thema „Götzendienst“ ein für alle Mal abhaken können. Was ist denn, wenn es dabei nicht um Statuen geht? Wenn die Götzen im Hier und Jetzt keine kosmischen Wesenheiten mit seltsamen Namen sind? Wenn sie in einem so alltäglichen Gewand daherkommen, dass wir sie überhaupt nicht als Götzen erkennen? Wenn wir in unserer Fantasie, mit unseren Internet-Suchmaschinen, unserem Portemonnaie oder unserem Kalender vor ihnen „niederknien“?
Was wäre, wenn ich dir zeigen würde, dass jede einzelne Sünde, mit der du zu kämpfen hast, jede Enttäuschung, mit der du fertigwerden musst, und sogar das Gefühl, dein Leben hätte keinen Sinn, mit Götzendienst zu tun hat?
KAPITEL 2
EIGENTLICH GEHT’S UM GÖTZENDIENST
Götzendienst spielt in der Bibel eine wichtige Rolle, er prägt unser persönliches Leben, doch unserer fehlerhaften Einschätzung zufolge ist er irrelevant. Os Guinness
Stell dir einen Mann vor, der andauernd husten muss. Die halbe Nacht liegt er deswegen wach, und seine Hustenanfälle unterbrechen jede Unterhaltung, die länger dauert als ein oder zwei Minuten. Sein Husten hält sich so hartnäckig, dass er schließlich zum Arzt geht.
Der Arzt untersucht ihn gründlich. Lungenkrebs.
Nun stell dir vor, dass der Arzt sich bewusst ist, wie schwer diese Nachricht den Mann treffen wird. Also sagt er seinem Patienten nichts von dem Krebs. Stattdessen stellt er ein Rezept aus, verschreibt ihm einen starken Hustensaft und erzählt ihm, dass er sich bald besser fühlen werde. Der Mann ist von dieser Diagnose begeistert. Und ja, gleich in dieser Nacht schläft er viel besser. Der Hustensaft hat sein Problem offenbar gelöst.
In der Zwischenzeit frisst der Krebs still und heimlich seinen Körper auf.
Als geistlicher Leiter und Lehrer rede ich jede Woche mit Menschen, die husten. ...Probleme haben. ...Kummer bewältigen müssen. ...unter Stress leiden. ...betrügen. ...lüstern sind.
...Geld ausgeben.
...sich Sorgen machen.
...mit etwas aufhören.
...Medikamente nehmen.
...Dingen aus dem Weg gehen.
...auf der Suche sind.
Sie kommen zu mir und erzählen mir von ihren Problemen.
Sie machen ihrem ganzen Frust Luft.
Sie gestehen, dass sie entmutigt sind. Sie zeigen mir ihre Verletzungen.
Sie bekennen ihre Sünden.
Wenn ich mich mit Menschen unterhalte, weisen sie immer darauf hin, wo ihrer Meinung nach das Problem liegt. Ihrer Auffassung nach haben sie mit ihrer Diagnose ins Schwarze getroffen. Sie leiden unter hartnäckigem Husten. Doch ich habe Folgendes entdeckt: Sie reden nur über Symptome, nicht über die eigentliche Krankheit – und bei der handelt es sich immer um Götzendienst.
Fallstudie 1: Es geht nicht um Geld
Als ich im Büro eintreffe, sitzt er schon vor der Tür. Ich wette, er ist schon seit einer Viertelstunde da. Ich halte ihn für einen Mann, der in seinem ganzen Leben noch nie zu spät zu einem Termin gekommen ist.
Seine Kleidung und seine Schuhe könnte ich mir niemals leisten. Eigentlich, so geht mir durch den Kopf, sollte ich auf ihn warten, zum Beispiel, weil er mich in geschäftlichen Fragen berät. Ich lächle bei dem Gedanken, dass er vielleicht dasselbe denkt. Doch irgendetwas passt nicht zu seinem sorgfältig zusammengestellten Outfit. Aber was?
Jetzt habe ich’s. Seine Augen. Sie blicken besorgt drein, nicht so zuversichtlich wie die eines erfolgreichen Geschäftsmannes. In meinem Büro biete ich ihm einen Stuhl an. Er lässt sich nicht auf Small Talk ein und kommt gleich zur Sache. Er ist ein geradliniger Typ, der beherzt zupackt – das sieht man sofort.
„Ich mache mir Sorgen um meine Familie“, meint er mit einem tiefen Seufzer.
„Ihre Familie? Sind Sie darum gekommen?“
„Eigentlich nicht. Es geht natürlich um mich. Ich mache mir Sorgen wegen dem, was ich ihnen angetan habe. Ihrer Zukunft. Unserem Namen.“
Seine Geschichte ist kurz und alles andere als schön. Das Finanzamt hat ihn erwischt, er hat in großem Stil Steuern hinterzogen. Er zählt die verschiedenen Vorwürfe auf, die gegen ihn erhoben werden, und ich verstehe nicht einmal alle. Er schon, das wird mir deutlich. Und noch etwas anderes wird mir deutlich: Einen großen Teil seines restlichen Lebens wird er der Aufgabe widmen, das Geld wieder hereinzubekommen, das er durch die Geldstrafe verloren hat, die bald gegen ihn verhängt werden wird. Ich weiß nicht genau, was ich ihm sagen soll. Er versteht offensichtlich, wie ernst seine Situation ist. Ich will ihm auch ganz bestimmt keine juristischen Ratschläge erteilen. Doch ich spüre, dass es ihm nicht nur darum geht, erwischt worden zu sein; ihm ist es wichtiger, wie er mit dem, was er getan hat, klarkommen kann.
Einen Augenblick sitzen wir schweigend da. Schließlich blickt er auf und sagt: „Eine Sache geht mir immer wieder durch den Kopf, und ich finde keine Antwort darauf – nämlich das Warum.“
„Abgesehen vom finanziellen Gewinn, meinen Sie?“
Er lacht kurz auf. „Finanzieller Gewinn? Kyle, ich habe das Geld überhaupt nicht gebraucht, nicht einen Penny. Ich bin Multimillionär. Ich hätte zu meinem Buchhalter gehen, die Steuer in der
vollen Höhe bezahlen und ein Mehrfaches der Summe spenden können und dabei immer noch dasselbe luxuriöse Leben führen können. Es hätte mir gar nicht wehgetan, die Steuern zu zahlen.
Welchen Betrag ich der Regierung auch immer geschuldet habe, ich hätte es nicht einmal gespürt, wenn er nicht mehr auf meinem Konto gewesen wäre.“
Das ist definitiv nicht meine Welt, aber ich lächle, nicke und gebe vor, dass ich ihn verstehen kann. „Na gut, wenn die finanzielle Seite keine Rolle spielte, wie sieht dann Ihre plausibelste Theorie aus, was das Warum betrifft?“
Er sieht mir geradewegs in die Augen, bevor sein Blick zum Fenster abschweift. Die Sonne scheint auf sein Gesicht und ich nehme einen feuchten Schleier in seinen Augen wahr.
„Das habe ich ja gesagt, Kyle. Ich weiß es nicht. Ich versteh’s wirklich nicht. Das war so eine Riesendummheit und normalerweise begehe ich keine Dummheiten. Weder im Hinblick auf Geld noch auf irgendetwas anderes. Und hören Sie …“ Er wirft mir einen flüchtigen Blick zu. „Ich weiß, dass ich ein Sünder bin. Das verstehe ich. Ich habe kein Problem damit, zuzugeben, dass mein
Verhalten Sünde war. Eine wirklich furchtbare Sünde. Aber warum gerade diese Sünde? Warum eine so sinnlose Sünde, die überhaupt nicht notwendig war?“
Wir reden darüber. Wir reden über sein Leben, seine Familie, seine Kindheit und Dinge, die ihn geprägt haben. Er soll einsehen, dass die Sünde nicht einfach aus dem Nirgendwo auftaucht. Normalerweise wächst sie dort, wo man den Samen dafür gelegt hat.
Wir müssen etwas tiefer graben.
„Sie haben gesagt, dass Sie das Geld eigentlich gar nicht gebraucht haben“, meine ich. „Aber Geld ist für Sie schon ziemlich wichtig, oder?“
„Klar. Natürlich.“
„Wichtig genug, dass es für Sie den größten Antrieb und das
wichtigste Ziel Ihres Lebens darstellt?“
Er denkt nach. „Ja, das kann man wohl so sagen.“
„Ist es vielleicht Ihr Götze?“
Einen Augenblick lang scheint er die Frage nicht zu verstehen. Dann atmet er langsam aus. Ich kann die Antwort förmlich auf seinem Gesicht lesen.
„Das war nicht immer so …“, beginnt er.
„Nein, das ist am Anfang nie so. Ziele können zu Götzen werden.
Dann dient man ihnen, lebt für sie und bringt ihnen Opfer. Zu Beginn war es so, dass das Geld Ihnen gedient hat. Doch an irgendeinem Punkt haben Sie die Rollen getauscht, oder?“
„So habe ich das noch nie gesehen.“
Fallstudie 2: Keine große Sache
Sie ist eine junge Frau, die in unserer Gemeinde aufwuchs. Ihre Angehörigen möchten, dass ich sie aufsuche und mit ihr rede. Sie machen sich Sorgen, weil sie bei ihrem Freund einziehen möchte, der kein Christ ist. Na, das kann ja lustig werden … Zweimal rufe ich sie an und hinterlasse ihr eine Nachricht, doch sie ruft nicht zurück. Beim dritten Mal nimmt sie ab. Sie weiß, warum ich anrufe, und versucht, es mit einem Lachen abzutun.
„Ich kann echt nicht glauben, dass meine Eltern so eine große Sache daraus machen“, meint sie mit einem nervösen Lachen. Ich sehe förmlich vor mir, wie sie die Augen verdreht. Ihrer Ansicht nach handelt es sich um einen minderschweren Fall von Husten, nichts, dessentwegen man sich Sorgen machen müsste.
„Also, ich weiß es zu schätzen, dass du dir ein paar Minuten Zeit für mich genommen hast. Aber eine Frage muss ich dir stellen: Könnte es sein, dass du das alles genau verkehrt herum siehst?“
„Was meinst du damit?“
„Dass sie nicht aus einer Mücke einen Elefanten machen, sondern du aus einem Elefanten eine Mücke?“
Ein nervöses Lachen. „Es ist keine große Sache“, wiederholt sie.
„Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dir sage, warum es meiner Meinung nach eine große Sache ist?“
Sie seufzt und fängt an, mir alle Gründe aufzuzählen, die ich ihrer Meinung nach gleich vorbringen werde.
Ich unterbreche sie mit einer Frage. „Hast du schon mal darüber nachgedacht, was es dich kosten wird, wenn du bei deinem Freund einziehst?“
„Meinst du die Wohnungsmiete?“
„Nein, ich rede nicht unbedingt über Geld. Ich meine, was deine Familie dabei empfindet und den Druck, den du von ihnen aushalten musst. Das ist doch in gewisser Hinsicht ein Preis, den du zahlen musst, oder?“
„Ja, schon, aber das ist doch ihr Problem.“
„Und wie hoch ist der Preis im Hinblick auf deine zukünftige Ehe?“
„Ich weiß doch nicht einmal, ob wir überhaupt heiraten werden“, entgegnet sie.
„Ich rede auch nicht davon, dass du ihn heiraten wirst, denn statistisch gesehen ist das höchst unwahrscheinlich.“
Sie versteht, worauf ich hinauswill, aber ich gehe noch etwas weiter. „Was wird das deinen zukünftigen Ehemann kosten? Welchen Preis muss er für deine Entscheidung zahlen?“ Sie hält inne und muss darüber nachdenken.
Ich zähle noch mehr Gründe auf, warum diese Entscheidung eine große Sache ist, weil sie sie mehr kostet, als sie ahnt.
„Meine Meinung dazu: Wenn du bereit bist, diesen Preis zu zahlen, muss das für dich ziemlich wichtig sein. Es muss eine wirklich große Sache für dich sein, wenn du bereit bist, das alles auf dich zu nehmen.“
Ich nehme ihr Schweigen als Zeichen dafür, dass sie darüber nachdenkt, und komme schließlich auf den springenden Punkt zu sprechen. „Wenn ich sehe, zu welchen Opfern du bereit bist, wenn ich sehe, dass du ignorieren willst, was Gott zu diesem Thema zu sagen hat, dann sieht es für mich so aus, als hättest du diese Beziehung zu deinem Götzen gemacht.“
„Was meinst du damit?“
„Ein Götze ist jemand oder etwas, dem wir Opfer bringen und nachlaufen. Aus meiner Sicht sieht es so aus: Auf der einen Seite steht Gott und sagt dir etwas, auf der anderen Seite steht dein Freund und sagt dir etwas anderes. Und du gibst deinem Freund den Vorzug. Die Bibel nennt das Götzendienst und in Wirklichkeit ist das eine ziemlich große Sache.“
Dieses Mal folgt kein nervöses Lachen. Sie bekennt: „So habe ich das noch nie gesehen.“
Fallstudie 3: Der heimliche Kampf
Er kommt fünf oder zehn Minuten zu spät.
Er hatte mich gefragt, ob wir ein paar Minuten miteinander reden können, und ich schlug vor, dass wir uns auf einen Kaffee treffen. Doch er bat um einen Ort, an dem wir etwas ungestörter wären, und deshalb entschieden wir uns für mein Büro.
Er kommt an und zögert auf der Schwelle, als sei er sich immer noch nicht ganz sicher, ob er die Verabredung einhalten will. „Kommen Sie herein.“ Ich lächle und biete ihm einen Stuhl an. Er lächelt nur kurz zurück. Dann nimmt er Platz und seine Körpersprache verrät seine Anspannung. Er verschränkt die Arme und reibt seinen rechten Ellenbogen. Ich vermute, dass er in meinem Alter ist, Mitte dreißig, ein ganz normaler Mann. Worum es in unserem Gespräch gehen wird, hat er mir vorher nicht verraten,