

TAVI UND DIE RIESENGROßE




ANGST



LESE PROBE

Text: Holm Schneider
Illustrationen: Emma Martschinke








Das i s t Tavi .

Er lebt in einem Land, in dem die Erstklässler morgens neugierig zur Schule gingen und die meisten Erwachsenen gern ihre Arbeit taten. Danach spielten sie Fußball oder Uno, und diejenigen, die sich dabei stritten, saßen später trotzdem gut gelaunt beim Abendessen zusammen.
Höhenangst, wenn sie oben auf einem hohen Turm standen, oder ...

Tavi und die meisten seiner Freunde hatten manchmal Angst:
Höhlenangst, wenn
ihnen lag .

Einige fürchteten sich vor Hunden oder Spinnen.
„Angst gehört zum Leben dazu“, sagte Tavis Oma. Sie war schon alt und musste es ja wissen.


Eines Tages aber kam eine neue Angst ins Land. Sie rumpelte durch gemütliche Dörfer und muntere Städte, gefährlich wie eine Lawine, und wurde dabei immer größer.
Tavi hatte gehört, dass einem vor Angst das Herz stehenbleiben konnte. Und er hörte von Leuten, denen wohl genau das passiert war.

Zuerst waren es die Erwachsenen, die sich Masken über die Köpfe zogen, um sich vor der neuen Angst zu schützen. Angst, so meinten sie, komme da nicht durch.

Sie trugen die Masken überall: im Bus, bei der Arbeit, auf dem Weg zum Bäcker und manche sogar, wenn sie mit dem Fahrrad fuhren.

Bald schickte man auch die Kinder mit Masken in die Schule, und wer keine dabeihatte, der bekam einen Platz ganz allein in der letzten Reihe.

Tavi glaubte seiner Mutter, die sagte: „Masken sind wichtig“, aber er konnte diese Masken einfach nicht ausstehen. Sie rochen nach Arzt und drückten an den Ohren. Doch allein in der Ecke sitzen mochte er auch nicht.
Also ließ er sich morgens eine Maske umbinden und biss ein Loch hinein, um besser Luft zu bekommen. Ein paar Kinder aus seiner Klasse machten es ihm nach, denn so erkannte man leichter, wer hinter welcher Maske steckte ...

Wenn Leute mit Masken etwas zu Tavi sagten, begriff er oft nicht, was sie meinten.

Früher hatte er an den Gesichtern anderer abgelesen, was ein fremdes Wort bedeutete, ob es Spaß oder Ernst war. Das ging nun nicht mehr. Leider gab es für einen Jungen in seinem Alter eine Menge Wörter, die er nicht verstand. Es kam vor, dass jemand auf ihn einredete und Tavi sich am Ende fragte: Was wollte der von mir?

Weil die neue Angst trotz der Masken übersprang, hielten die Menschen immer mehr Abstand zueinander. Man grüßte sich nur noch von ferne. Einer nach dem anderen blieb tagsüber zuhause. Die Kinder wurden nicht mehr in die Schule geschickt.

Um Spielplätze flatterten rotweiße Absperrbänder. Straßen und Gasthöfe waren wie leergefegt. Als ob sich alle versteckt hätten ...


Am schlimmsten aber fand Tavi, dass er niemanden mehr einladen und niemanden besuchen durfte: weder Oma, als sie krank wurde, noch seine Freunde zum Geburtstag.
Wie sollte das nur weitergehen?
NEUFELD VERLAG
© 2023 Neufeld Verlag Neudorf bei Luhe
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar
Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson Illustrationen: Julia „Emma“ Martschinke, Forchheim Herstellung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-86256-190-2, Bestell-Nummer 590 190
Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages neufeld-verlag.de
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Angst ist ansteckend. Abstand halten oder eine Maske im Gesicht schützen kaum vor ihr. Wo Angst wächst, da schrumpft die Freude. Das haben wir in den letzten Jahren erlebt.
Wie Tavi anderen half, in Zeiten der Angst ihren ganzen Mut zusammenzunehmen, um Freude und Gemeinschaft wiederzufinden, das wird hier höchst anschaulich erzählt.
ISBN 978-3-86256-190-2

Kinder besitzen ein feines Gespür für die Ängste ringsumher. Dieses Buch lädt ein, mit ihnen darüber zu sprechen. Denn es nützt nichts, Angst zu verdrängen; sie gehört nun mal zum Leben dazu. Und nicht nur Angst ist ansteckend: Mut ist es auch!




