Ermutigende Geschichten und Gedanken zu Psalm 23
Verena Keil (Hg.)
Vorwort
Sicher kennen Sie den bekanntesten aller Psalmen, den »Hirtenpsalm« – den Psalm 23. Unzählige Menschen haben ihn schon gelesen, haben aus den bildreichen Worten neue Kraft geschöpft, sich trösten lassen, haben Frieden gefunden in ihrer Situation und wieder neuen Mut gefasst. Ein guter Hirte, der auf seine Schafe aufpasst, für ihre Bedürfnisse sorgt und sie sicher zum Ziel führt – was für ein wunderbares Bild!
Immer wieder haben Künstler dieses Bild mit ihrem ganz eigenen Blick wiedergegeben, haben Musiker den Psalm vertont, Poeten dessen Inhalt in Gedichte verwandelt. Und durch alle Zeiten hindurch haben Menschen ihre eigenen »Psalm 23«-Erfahrungen gemacht. So wie Ilona Maria Drzymulski, für die Psalm 23 in einer ausweglosen Situation der Rettungsanker war. Oder Hanna Willhelm, die in einem Moment der Erschöpfung spürte: Der gute Hirte ist bei mir. Oder Gloria Gaither, die den Psalm 23 zu ihrem Gebet gemacht hat. Auch die Schaf- und Ziegenhirtin Hanna Ruef-Bircher erzählt in diesem Buch von einer Psalm-23-Erfahrung, als sie auf der Suche nach dem kleinen Schäfchen »Bläcki« war. Und Tim Hansel berichtet von einem vierjährigen Mädchen, das den Psalm mit seinen eigenen Worten wiedergibt …
Lassen Sie sich mit den Geschichten, Gedanken und lyrischen Texten mit hineinnehmen in den Psalm vom guten Hirten. Ich wünsche Ihnen, dass Sie ganz neu erleben: Der gute Hirte kennt mich und sorgt für mich. Er führt mich zur Ruhe und auch durch Krisenzeiten sicher zum Ziel.
Verena Keil
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser. Er erquickt meine Seele. Er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbst mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
Der Hirte und der Gastgeber
Hella Thorn
Einhundertfünfzig Lieder und Gebete sind in den Psalmen in der Bibel zusammengetragen worden. Es gibt Dankgebete, Fürbitten, Klagelieder und Lobpreisungen. Die ganze Bandbreite der menschlichen Emotionen in Gegenwart des dreieinigen Gottes werden schonungslos offengelegt. Es wird geklagt, gefürchtet und gelitten, gefreut, geliebt und gedankt.
Der wohl bekannteste Psalm ist der »Psalm vom guten Hirten«. Viele Kinder lernen ihn im Kindergottesdienst, Konfirmationsunterricht, Kommunions- und Firmunterricht, in der Sonntagsschule, im Biblischen bzw. Kirchlichen Unterricht oder Religionsunterricht auswendig: »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.«
Und schon immer haben die Menschen mit diesem Psalm gerungen, gute und schlechte Erinnerungen verbunden, sich mithilfe der Worte Davids an Gott, seine Zusagen geklammert, Trost in den Versen gesucht und gefunden. Kein anderer Psalm bewegt und berührt die Menschen so sehr wie dieser Psalm 23.
Zwei Motive treten in dem Psalm besonders hervor: Einmal das Bild von Gott als Hirten eines Schafes oder einer
Schafherde und das Bild von Gott als Gastgeber. Beiden Motiven inhärent ist die Vorstellung von einem behütenden, umsorgenden, den Menschen und Lebewesen zugewandten Gott.
Ein Psalm Davids. Der Herr ist mein Hirte, ich habe alles, was ich brauche.
Hier wird deutlich, auch wenn ein Hirte immer für eine ganze Schafherde zuständig ist: Gott hat jedes seiner Schafe im Blick. Egal, ob schwarz oder weiß oder braun. Er kümmert sich um jedes einzelne. Der Hirte versorgt zuverlässig seine Schafe mit allem, was sie brauchen – nicht mit allem, was sie vielleicht unbedingt wollen, aber mit dem, was sie zum Leben und Gedeihen benötigen.
Er lässt mich in grünen Tälern ausruhen, er führt mich zum frischen Wasser. Er gibt mir Kraft. Er zeigt mir den richtigen Weg um seines Namens willen.
In Vers 2 wird spezifiziert, womit der Hirte seine Schafe versorgt. Mit grünem, saftigem Gras und mit erfrischendem, klarem Wasser. Es geht hier aber auch um Ruhe und um Aufbruch. Beides muss im Einklang stehen, damit es den Schafen gutgeht. Was brauchen wir Menschen, um wachsen und gedeihen zu können? Nehmen wir uns die Zeit und den Raum, um zur Ruhe zu kommen und Kraft zu tanken? Wagen wir allein den Aufbruch, oder gehen wir mit unserem Hirten, mit Gott zusammen, dahin, wo er uns
hinführt? Nehmen wir wahr, dass Gott uns immer wieder Kraft schenkt, um weiterzulaufen? Der Hinweis in Vers 3, »um seines Namens willen«, hat hierbei zweierlei Bedeutungen: Zum einen zeigt er die Allmacht Gottes, die durch den Weg verherrlicht werden soll. Zum anderen heißt der »richtige Weg« wörtlich »Straße der Gerechtigkeit«, also der Weg, der zu einem guten, heilsamen Ziel führt, auf dem Gott (um seines Namens willen) immer dabei ist. Er steht zu seinem Wort, zu seinem Versprechen, »Ich bin, der ich bin« (2. Mose 3,14), »Ich bin bei dir, wohin du auch gehst« (Josua 1,9).
Auch wenn ich durch das dunkle Tal des Todes gehe, fürchte ich mich nicht, denn du bist an meiner Seite.
Dein Stecken und Stab schützen und trösten mich.
Genau wie ein Hirte nicht verhindern kann, dass es widrige Umstände (Witterungsverhältnisse, Bodenbeschaffenheiten, Gefahren durch wilde Tiere etc.) geben kann, verhindert Gott auch nicht, dass wir Menschen mit Leid, Schmerz und Traurigkeit, mit der Vergänglichkeit des Lebens konfrontiert werden. In all dem Dunklen, das dem Leben innewohnt, weicht Gott jedoch nicht von unserer Seite – ja er selbst kennt die Furcht, den Schmerz, den Todeskampf.
Stecken und Stab sind für einen Hirten wichtige Werkzeuge, um die Schafe vor angreifenden Tieren zu verteidigen. Und so wie ein Hirte für seine Schafe kämpft, kämpft Gott auch für uns.
Die Perspektive des Psalms ändert sich in diesem Vers von »er« zu »du«: Gottes Trost erwächst aus der persönlichen Beziehung zu ihm. Gerade in den dunkelsten Phasen erleben Menschen Gott als ansprechbares Gegenüber, das ihnen zum Wegbegleiter wird und die Angst nimmt.
Du deckst mir einen Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du nimmst mich als Gast auf und salbst mein Haupt mit Öl. Du überschüttest mich mit Segen.
Hier beginnt nun das Motiv des gütigen Gastgebers, der dafür sorgt, dass es seinem Gast an nichts mangelt. Bei Gott findet der Bewirtete – obwohl die Feinde ihn umringen – Geborgenheit. Das Salben des Hauptes mit Öl galt als eine besondere Form der Zuwendung. Der letzte Satz »Du überschüttest mich mit Segen« heißt in anderen Übersetzungen »Füllst meinen Becher voll ein« oder »Du schenkst mir voll ein«, was zeigt, dass der Gastgeber in diesem Bild nicht geizt, sondern mehr anbietet, als eigentlich nötig wäre.
Deine Güte und Gnade begleiten mich alle Tage meines Lebens, und ich werde für immer im Hause des Herrn wohnen.
Gott, der ein Gott der Güte und der Gnade ist, begleitet die Menschen vom ersten bis zum letzten Tag ihres Lebens. Seine Güte und seine Gnade kennen kein Ende – »für immer« dürfen wir uns bei Gott geborgen wissen.
Die Psalmen als »Fluchtweg«
Graham Kendrick
»Wählen Sie die richtigen Spurrillen – Sie fahren die nächsten 100 Meilen darin!« So lautet ein Graffiti-Spruch auf einem Schild an einer einsamen Landstraße im Hinterland von Australien.
Auch beim Beten können wir in ausgefahrene Spurrillen geraten, vor allem wenn unsere Themen und Formulierungen überwiegend durch unsere Bedürfnisse, eingeschliffene Gewohnheiten oder unsere gegenwärtige Stimmung geprägt sind.
Obwohl es besser ist, beim Gebet eingefahrenen Spurrillen zu folgen als gar nicht zu beten, bietet uns die Bibel einen Fluchtweg an – die Psalmen. Wenn ich diese vom Heiligen Geist inspirierten »Herzensschreie« als Vorbereitung auf das Gebet benutze – idealerweise lese ich sie laut – , dann entdecke ich Gottes Wahrheiten, seine göttliche Perspektive, nehme seine Sätze und sein Lob in meinen Mund, und meine Augen erheben sich zur Größe Gottes, der unsere Gebete erhört. Spontaneität ist wunderbar – wenn sie kommt! Aber die Psalmen sind Gottes Aufzug, mit dem er unsere Gebete auf eine neue Ebene bringt.
Wir brauchen einen Hirten, der sich um uns kümmert und uns führt. Es gibt ihn. Er ist der Hirte, der uns mit Namen nennt.
Max Lucado