INHALT
Einleitung: Ohne Liebe können wir keine gesunden Grenzen setzen ............... 9
Kapitel 1: Du bist nicht verrückt (du kannst sie lieben, aber nicht ändern) ..........
Kapitel 2: Die Probleme, mit denen wir alle kämpfen, beim Namen nennen .......
Kapitel 3: Es geht nicht um die Probleme, sondern um das, wofür sie stehen .......... 48
Kapitel 4: Gott nimmt die Überschreitung von Grenzen sehr ernst –und wir sollten das auch tun ......... 60
Kapitel 5: Du machst das schon richtig gut ....... 81
Kapitel 6: Vielleicht werden sie nie erkennen, dass deine Grenzen etwas Gutes sind ....... 105
Kapitel 7: Du brauchst dir das, was der andere sagt, nicht zu eigen zu machen .......... 125
Kapitel 8: Bei einer gesunden Beziehung geht es nicht darum, den anderen glücklich zu machen ...................
Kapitel 9: Wovor habe ich nur solche Angst? ......
Kapitel 10: Kann eine Trennung auch etwas Gutes haben? ....................
Kapitel 11: Ich gebe nicht auf – ich akzeptiere nur die Realität ....................
Kapitel 12: Unzählige kleine Beerdigungen
Schlussgedanken: Eine Bibel, ein Ring und ein Gott, der uns nie verlässt .........
Hilfreiche Weisheiten, wenn unsere Grenzen hinterfragt werden ....................
Ich widme die Botschaft dieses Buches jeder couragierten Frau, die einige schwere, aber mutige Entscheidungen treffen muss, um das Chaos hinter sich zu lassen und ein gesundes und authentisches Leben zu führen. An dich habe ich bei jedem einzelnen Wort gedacht, als ich dieses Buch geschrieben habe.
Vergiss nicht: Wenn du zutiefst liebst, kannst du auch zutiefst verletzt werden. Aber nur weil du verletzt werden könntest, bedeutet das ja noch lange nicht, dass du dich davor fürchten müsstest, anderen nahezukommen. Es bedeutet vielmehr, dass du die ungeheure Fähigkeit besitzt, andere wirklich zu lieben, weil du es wagst, einem Menschen dein verletzliches Innerstes zu öffnen. Verstaue die Liebe nicht im hintersten Winkel deines Herzensschranks wie einen alten Pulli, den du nicht mehr anziehen willst. Gesunde Grenzen helfen dir zu erkennen, wie du andere lieben kannst, ohne dich dabei selbst zu verlieren.
Tausende meiner eigenen Tränen haben die Tinte auf den Seiten dieses Buches verwischen lassen. Ich habe sie geweint, während ich Gott versprach, diese Botschaft zu verfassen, wenn er mir helfen würde, sie selbst auch zu leben. Und dass ich alles tun würde, damit du diese Worte einmal lesen kannst. Es ist eine Ehre, dich hier kennenzulernen. Machen wir uns also gemeinsam an die Arbeit.
Einleitung
Ohne Liebe können wir keine gesunden Grenzen setzen
Hallo zusammen! Ich möchte gern so viel in diese ersten Worte packen, damit ich gleich die richtige Atmosphäre schaffe. Ich wünschte, ich könnte dir deinen Lieblingskaffee servieren, dir eine Decke geben, eine Schachtel Taschentücher auf den Couchtisch legen und die passende Musik anstellen. Und dann könnten wir uns gegenseitig erzählen, wie es gerade in unserem Leben so läuft.
Ich würde viel lieber direkt mit dir über all das hier sprechen. Oder es dir wenigstens als handgeschriebenen Brief schicken. Das Thema hat etwas zutiefst Persönlich-Menschliches, und ich möchte nicht, dass das im Schwarz-Weiß dieser Seiten und gedruckten Buchstaben verlorengeht. Wir nehmen dieses Buch beide in die Hand, während wir herauszufinden versuchen, wo es in den wichtigsten Beziehungen in unserem Leben rundläuft und wo nicht.
Und weil Beziehungen etwas Lebendiges sind, sind sie wie die Luft in unseren Lungen – mal werden diese weit und dann wieder ziehen sie sich wegen möglicher Missverständnisse zusammen. Beziehungen sind etwas Wunderbares, voller Liebe und Frust, gewoben aus Angst und all den anderen Eigenheiten, die wir jedes Mal mitbringen, wenn wir versuchen, einer anderen Person nahezukommen. Denn: Wenn uns geliebte Menschen nahekommen, kommen sie auch unseren
Problemen nahe. Und auch wir stehen plötzlich ihren Problemen gegenüber.
Wenn wir uns einander öffnen, werden wir umso verwundbarer, je enger die Verbindung wird. Je verwundbarer wir uns machen, desto ungeschützter sind die verletzlichen Stellen in unserem Innersten. Und das ist riskant. Wenn wir es wagen, anderen einen ehrlichen Blick in unser Innerstes zu gewähren, besteht die Gefahr, dass wir auch sehr verletzt werden.
Wenn wir es wagen, ein großes Risiko einzugehen, riskieren wir auch, sehr enttäuscht zu werden. Wenn wir es wagen, uns zu verschenken, könnten wir auch ausgenutzt werden. Und wenn wir es wagen, gegen unsere Natur zu handeln und das zu werden, was andere brauchen, könnten wir uns selbst dabei verlieren.
Zu lieben und geliebt zu werden – das ist das schönste Gefühl, das ich je erlebt habe.
Zu verletzen und selbst verletzt zu werden – das ist das schrecklichste Gefühl, das ich je erlebt habe.
Diese Erfahrung haben wir wahrscheinlich beide schon gemacht. Auf unterschiedliche Weise, mit unterschiedlichen Personen und in unterschiedlichem Maße haben wir beide schon erlebt, was es heißt, zu lieben und verletzt zu werden.
Wir hoffen das Beste und fürchten das Schlimmste und versuchen immer wieder herauszufinden, wie wir unsere Beziehungen auf eine gute Art und Weise gestalten können. Wir leben unser Leben mit den Menschen, die wir lieben. Und diejenigen, die uns lieben, leben ihr Leben mit uns.
Wir lachen zusammen, pflegen Beziehungen, beenden Beziehungen, streiten und versöhnen uns, entfernen uns voneinander und kommen wieder zusammen. Und wir denken, wie gut wir es doch mit dieser Person haben. Bis wir unserer Seelsorgerin irgendwann eine Nachricht mit dem Emoji eines zerbrochenen Herzens schicken: „Ich brauche dringend Hilfe … Alles geht den Bach runter. “ Vielleicht verwenden wir aber
auch andere Worte und andere Emojis, die man hier nicht abdrucken kann.
Es läuft eben nicht immer so glatt wie in den schönen Weihnachtsfilmen von Hallmark.
In diesen Filmen genießen die Menschen den Segen der Vorhersehbarkeit – am Ende wird immer alles gut. Dort kommt es nie vor, dass man dauernd Grenzen setzen muss, weil auch die Schwierigkeiten nicht von Dauer sind. Wenn die Geschichte erst einmal eine positive Wendung genommen hat, dann bleibt bis zum Abspann auch alles gut.
Nachdem ich zu viele von diesen Filmen geschaut hatte, habe ich vergangene Woche Freundinnen eine Nachricht geschickt. Ich wollte versuchen, diese unrealistischen Geschichten zu korrigieren. In meiner Nachricht stand Folgendes:
Erste Szene: Schneeflocken rieseln sanft auf die Menschen der Stadt herab, die lächeln, lachen, Schlittschuh laufen. Mitten unter den vergnügten Menschen: ein Mädchen, das ihre Kundschaft bedient. Sie hat einen richtig fiesen Chef. Da lässt sie sehnsuchtsvoll ihren Blick schweifen. Sie sucht etwas, weiß aber nicht recht, was. Plötzlich taucht ein eingebildeter, sehr gut aussehener Mann mit Gitarre auf. Insgeheim ist er der Prinz eines fernen Landes. Aus Versehen schüttet sie Wasser über ihn. Er schreibt ein Lied für sie. Die beiden verlieben sich.
Letzte Szene: Sie wird Prinzessin.
Aber natürlich wissen wir alle, dass das nicht realistisch ist. Das Leben hat nicht immer ein Happy End. Deshalb sollte das Drehbuch eigentlich eher so aussehen:
Erste Szene: Gleiche Szene, aber: Sie schüttet das Wasser über ihn, er platzt vor Wut, gibt ihr kein Trinkgeld, verlangt, dass sie gefeuert wird. Als sie traurig nach Hause geht, murmelt sie vor sich hin …
irgendwas mit einem „Idioten“. Außerdem wird sein Schloss zwangsversteigert und er muss schon bald als Aushilfskraft im gleichen Restaurant arbeiten wie sie. Sie wird schließlich zur Geschäftsführerin befördert und zeigt ihm seine Grenzen auf, weil er den Kassenabschluss nach Feierabend nicht richtig macht. Dann entdeckt sie Dinge, die sie dazu veranlassen, ihn zu feuern, denn: Er greift in die Kasse.
Letzte Szene: Sie kommt zu Wohlstand, kauft das Schloss und lädt ihre Freundinnen ein, gemeinsam darüber nachzudenken, was bei ihm wohl schiefgegangen ist und wie er sie nur bestehlen konnte!
Doch die letzte Szene zeigt sie nachdenklich: Sie zweifelt immer wieder an sich selbst und wünscht sich insgeheim, dass alles ganz anders verlaufen wäre.
Ich vermute, dass Hallmark mich wahrscheinlich nie als Drehbuchautorin engagieren wird.
Aber ich brenne darauf, das, wie ich glaube, fehlende Puzzlestück in die Geschichte meiner eigenen Beziehungen einzusetzen: gesunde Grenzen.
Jetzt würde ich dir gern direkt in die Augen schauen, weil ich dir etwas wirklich Wichtiges sagen muss: In diesem Buch geht es nicht darum, sich von jemandem zu trennen oder Beziehungen den Rücken zu kehren. Es geht darum, wie man Menschen auf gesunde Art und Weise lieben kann. Und es geht darum, angemessene Grenzen und Rahmenbedingungen zu kommunizieren, damit die Liebe tragfähig und von Dauer ist. Liebe schließt Grenzen nicht aus. Ganz im Gegenteil. Wir setzen Grenzen, damit wir wissen, wie wir uns verhalten sollen, wenn wir unsere Mitmenschen wirklich lieben wollen, ohne uns selbst dabei zu verlieren. Gesunde Grenzen helfen uns, die Sache mit der Liebe selbst dann nicht aufzugeben, wenn Beziehungen untragbar werden und wir uns der Notwendigkeit einer Trennung stellen müssen.
Auf jeder Seite dieses Buches werden wir uns ganz ehrlich der Frage stellen, welche gesunden und ungesunden Aspekte wir selbst in uns tragen, aber auch die Beziehungen, in die wir uns von ganzem Herzen investieren. Manchmal ist es gar nicht so leicht, zwischen „gesund“ und „ungesund“ zu unterscheiden. Deshalb ist es wichtig, Gott hier um Rat zu bitten – und wenn wir es mit komplizierten Situationen zu tun haben, wo es um Abhängigkeit und Missbrauch geht, auch Fachleute. (Lies dazu bitte „Hol dir Hilfe“ auf Seite 261.)
Schließlich ist es Gottes Wille für uns, dass wir ihn und unsere Mitmenschen lieben. Genau das hat uns Jesus gelehrt und vorgelebt: „So gebe ich euch nun ein neues Gebot: Liebt einander. So wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben“ (Johannes 13,34).
Aber wir können bei uns selbst und bei anderen keine negativen, zerstörerischen Verhaltensmuster dulden und das dann als „Liebe“ bezeichnen. Und wir können nicht stolz darauf sein, in Beziehungsdingen treu und geduldig zu sein, wenn wir in Wirklichkeit nur eine Verzerrung dessen pflegen, was Gott „Liebe“ nennt. Ich will dir mit diesem Buch nicht dabei helfen, anderen ihre Fehler aufzuzeigen – wir sollten auch uns selbst ehrlich betrachten. Wir sollten unsere Motive und Denkweisen unter die Lupe nehmen.
Wir können keine negativen, zerstörerischen Verhaltensmuster dulden und das dann als „Liebe“ bezeichnen.
Und ich will dich auch nicht dazu überreden, dich vorschnell, rücksichtslos und unüberlegt in eine Scheidung zu stürzen. Sprüche 15,22 erinnert uns daran, dass wir viele Ratgeber brauchen, um kluge Entscheidungen zu treffen. Mir geht es ebenfalls nicht darum, Menschen dazu zu ermutigen, Beziehungen
vorschnell zu beenden, nur weil es gerade mal etwas schwierig ist oder der andere eine schwere Zeit durchmacht.
Aber wir sollten auch nicht auf der anderen Seite vom Pferd fallen und um jeden Preis an einer zerstörerischen, schädlichen oder missbräuchlichen Beziehung festhalten. (Siehe auch „Wichtige Anmerkungen zum Thema ,Missbrauch‘“, Seite 262.) Du wirst schon bald merken, dass Grenzen uns helfen können, nicht in Extreme zu verfallen und uns mehr an der Art von Liebe zu orientieren, die Gott für Beziehungen im Sinn hat.
Liebe muss aufrichtig sein. Liebe muss sicher sein. Liebe muss für jeden das Beste wollen.
Und Liebe muss Gott respektieren, damit zwei Menschen die schönste Beziehung in ihrer ganzen Fülle und Freiheit erleben.
Wenn ich 1. Korinther 13,4–7 lese, dann erinnert mich das daran, wie Gott sich die reinste Form der Liebe vorstellt. Folgendes will ich im Hinblick auf diese Bibelstelle im Hinterkopf behalten:
Liebe ist nicht respektlos und unehrlich.
Liebe rechtfertigt kein mutwilliges Verhalten und keine Selbstsucht. Liebe freut sich nicht, wenn etwas Böses geschieht. Liebe braucht Wahrheit.
Liebe führt zu Respekt, Freundlichkeit und Mitgefühl.
Lass uns immer an den Grund für gesunde Grenzen denken, während wir uns jetzt auf den Weg machen. Grenzen schützen die Liebe und verhindern, dass Beziehungsstörungen diese Liebe zerstören. Grenzen helfen uns zu sagen, was gesagt werden muss, zu tun, was getan werden muss, und klarzustellen, was akzeptabel ist und was nicht. Liebe sollte uns zusammenbringen und nicht auseinanderreißen.
Und denk immer daran, dass wir ohne Liebe keine gesunden Grenzen setzen können. Wenn wir aus Wut und Bitterkeit
heraus Grenzen setzen, führt das nur zu Kontrolle und Manipulation. Wenn wir Grenzen als Strafe einsetzen, macht uns das nur selbst zu Gefangenen. Aber wenn wir aus Liebe heraus Grenzen setzen, gibt das Beziehungen die Chance zu wachsen, denn echte Bindung entwickelt sich nur in der Sicherheit von gesunden und ehrlichen Beziehungen.
Liebe sollte uns zusammenbringen und nicht auseinanderreißen.
Ich habe dieses Buch nach einer Scheidung geschrieben, die ich eigentlich nicht wollte, und deshalb fürchte ich immer, dass es so wirken könnte, als wollte ich andere von mir stoßen. Aber so ist es nicht. Ich will heute mehr als je zuvor den Menschen in meinem Umfeld mit Liebe begegnen. Ich weiß aber, wie zerstörerisch es sein kann, sich wegen mangelnder Grenzen mit kaputten Beziehungen abzuquälen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man wie gelähmt ist, weil ein anderer Entscheidungen trifft, die einem immer wieder das Herz brechen, und man nicht weiß, was man tun soll. Ich weiß, wie frustrierend es ist, wenn man zwar sagt, dass sich etwas ändern muss, aber nicht weiterweiß, wenn der andere bei den notwendigen Veränderungen nicht mitmacht. Ja, manche Beziehungen werden untragbar und man sollte dann nicht nur gesunde Grenzen setzen, sondern den anderen auch tatsächlich loslassen – aber was auch geschieht: Du brauchst nicht zu jemandem zu werden, der du nie sein wolltest.
Wenn wir verletzt sind, helfen uns gesunde Grenzen und das Beenden einer Beziehung, nicht in einem Zustand ständigen Verletztseins steckenzubleiben.
Ich habe dieses Buch geschrieben, um dir dabei zu helfen zu entdecken, dass gesunde Grenzen den Weg ebnen können, damit sich die wahrhaftigste und reinste Form der Liebe in den
Beziehungen entwickeln kann, die so großen Einfluss darauf haben, wer wir sind und was wir wirklich wollen.
Wenn wir verletzt sind, helfen uns gesunde Grenzen und das Beenden einer Beziehung, nicht in einem Zustand ständigen Verletztseins steckenzubleiben.
Während wir uns in diesem Buch mit gesunden Grenzen beschäftigen und mehr über das Loslassen erfahren, findest du am Ende jedes Kapitels einen Abschnitt, der „Jetzt wird’s praktisch“ heißt. Hier fasse ich das, was wir gelesen und gelernt haben, zusammen und füge noch ein paar Fragen und Bibelstellen zum Nachdenken hinzu. Es ist mir wichtig, dass das hier nicht nur ein Buch zum reinen Lesen ist, sondern dass du es auch auf dich wirken lässt, damit ringst und es durchbetest. Und wenn du dann beschließt, dass du wirklich etwas verändern willst, dann solltest du den entscheidenden Schritt tun und es in die Praxis umsetzen.
Es wird nicht leicht sein, den Inhalt dieses Buches auf dein Leben anzuwenden, aber es wird wahrscheinlich einer der wertvollsten Schritte hin zu emotionaler Gesundheit und besseren Beziehungen sein, die du machen kannst. Und das Beste daran ist, dass du nicht allein bist. Ich bin bei dir und vertraue gemeinsam mit dir darauf, dass Gott uns bei jedem Wort und jedem Schritt begleiten wird. Hin und wieder kommt auch mein Seelsorger Jim Cress zu Wort, der immer wieder seine therapeutischen Erkenntnisse einstreuen wird.
Jetzt wird’s praktisch
VerGiss niCht
(Sätze, an denen du dich festhalten kannst)
• Wir können keine negativen, zerstörerischen Verhaltensmuster dulden und das dann als „Liebe“ bezeichnen.
• Liebe muss Gott respektieren, damit zwei Menschen die schönste Beziehung in ihrer ganzen Fülle und Freiheit erleben.
• Grenzen schützen die Liebe und verhindern, dass Beziehungsstörungen diese Liebe zerstören.
• Liebe sollte uns zusammenbringen und nicht auseinanderreißen.
• Wenn wir aus Liebe heraus Grenzen setzen, gibt das Beziehungen die Chance zu wachsen, denn echte Bindung entwickelt sich nur in der Sicherheit von gesunden und ehrlichen Beziehungen.
• Wenn wir verletzt sind, helfen uns gesunde Grenzen und das Beenden von Beziehungen, nicht in einem Zustand ständigen Verletztseins steckenzubleiben.
NiMM es an
(Bibelstellen, über die du nachdenken kannst)
„So gebe ich euch nun ein neues Gebot: Liebt einander. So wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben.“ Johannes 13,34
Die Liebe ist geduldig und freundlich. Sie ist nicht neidisch oder überheblich, stolz oder anstößig. Die Liebe ist nicht selbstsüchtig. Sie lässt sich nicht reizen, und wenn man ihr Böses tut, trägt sie es nicht nach. Sie freut sich niemals über Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich immer an der Wahrheit. Die Liebe erträgt alles, verliert nie den Glauben, bewahrt stets die Hoffnung und bleibt bestehen, was auch geschieht. 1. Korinther 13,4–7
DenK naCh
(Fragen, mit denen du dich beschäftigen kannst)
• Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es eigentlich ein Akt der Liebe ist, wenn du gesunde Rahmenbedingungen für deine Beziehungen aufstellst? Inwiefern verändert dieser Gedanke hier am Anfang des Buches vielleicht deine Sicht des Themas?
• Was hat dich in der Vergangenheit dazu bewogen, Grenzen zu setzen oder Beziehungen zu beenden? Denk in Ruhe darüber nach und schreib deine Antworten auf.
• In einer Beziehung, in der Chaos, Frust und Verletzungen an der Tagesordnung sind, kann eine extreme Reaktion noch mehr Probleme verursachen. Manche Menschen neigen dazu, sich allein die Schuld an der Situation zu geben und das Verhalten des anderen herunterzuspielen. Oder, im Gegenteil, dem anderen die alleinige Schuld zu geben, ohne einen kritischen Blick auf sich selbst zu werfen. In diesem Buch wollen wir beide Extreme vermeiden. Ehrliche Selbstbetrachtung ist also immer eine gute Übung. Deshalb möchte ich dich einladen, dich jetzt mit den folgenden Fragen zu beschäftigen. Es kann hilfreich sein, diese noch einmal durchzugehen, bevor du Grenzen setzt oder eine Beziehung beendest:
– „Hatte ich unrealistische Erwartungen?“
– „Bin ich zu schnell beleidigt?“
– „Habe ich im Hinblick auf diese Beziehung schon mal über meine eigenen Versäumnisse nachgedacht?“
– „Habe ich mit einem Ratgeber, einer Mentorin oder Seelsorgerin gesprochen?“
GeBet
Herr, ich wünsche mir von ganzem Herzen, andere so zu lieben und wertzuschätzen, wie du uns liebst und wertschätzt. Aber ehrlich gesagt machen es mir diese herausfordernden Beziehungsdynamiken manchmal unheimlich schwer zu erkennen, was wirklich Liebe ist. Deshalb bitte ich dich, mich hier zu führen und mir zu helfen, den richtigen Weg einzuschlagen, während ich diese nächsten Seiten lese. Zeige mir, wie ich meine engsten Beziehungen sowohl mit Nachsicht als auch mit einem gesunden Sinn für die Realität angehen kann. Amen.
Kapitel 1
Du bist nicht verrückt (du kannst sie lieben, aber nicht ändern)
„Du kannst kein Vertrauen aufbauen, wenn dieses Vertrauen immer wieder enttäuscht wird.“ Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf, während ungeheure Wellen der Trauer die noch wunden Stellen meines Herzens überrollten. Ich schwankte zwischen dem Verlangen, diese Worte hinauszuschreien und sie zurückzunehmen und hinunterzuschlucken.
Bis zu diesem Augenblick hatte ich sie nur in mein Tagebuch schreiben können. Aber dann, in einem unvorhergesehenen Moment schmerzhafter Ehrlichkeit, sprach ich sie laut aus. Zunächst gegenüber meinem Seelsorger und später gegenüber dem Mann, mit dem ich seit fast drei Jahrzehnten verheiratet war.
„Du kannst kein Vertrauen aufbauen, wenn das Vertrauen immer wieder enttäuscht wird.“ Es war ein Schlag in die Magengrube. Manchmal kann es schrecklich sein, die Wahrheit auszusprechen. Aber noch viel schlimmer ist es, wenn die Wahrheit dir ins Gesicht starrt und du sie verleugnest. Ich liebte ihn. Ich schätzte unsere langen Gespräche über das Leben und die Liebe und sogar all die alltäglichen Dinge, die eine enge Beziehung eben so ausmachen. Als alles noch „normal“ war, dachte ich, dass diese Beziehung immer ein wichtiger Teil meines Lebens sein würde. Aber dann veränderten sich die Dinge, sie verschlimmerten sich, und schließlich stand alles
Kopf. Lügen waren gängiger als die Wahrheit. Aus einer zweiten Chance wurde eine dritte, vierte und fünfte, um dem anderen die Möglichkeit zu geben, das Unrecht wiedergutzumachen.
Versprechungen wurden gemacht.
Und eine Zeitlang wurden sie auch gehalten. Aber gerade als ich dachte, es ginge wieder aufwärts, wurden die Versprechen erneut gebrochen.
Das Problem ist, dass Vertrauen etwas sehr Zerbrechliches ist und schwer zurückzugewinnen. Die Rückschläge sind schrecklich und lähmend. Und wenn das Vertrauen bis zum Zerbrechen beansprucht wird, bohren sich die Knochensplitter wie Dolchstiche ins Herz.
Ich sehnte mich mit jeder Faser meines Seins nach einer gesunden, blühenden Ehe. Aber die Realität machte Veränderungen nötig.
Die Sucht kehrte zurück und mit ihr die Übertretung klar gesteckter Grenzen. Das konnte ich nicht ignorieren, und ich konnte auch nicht so tun, als machte es mir nichts aus. Jedes Mal, wenn ich wieder neue Beweise dafür erhielt, zog sich in mir alles wegen des Schmerzes und der heftigen Flashbacks zusammen. Mein Seelsorger nennt sie „Trigger“ (Auslöser). Jedes Mal, wenn so etwas in mir ausgelöst wurde, wurde ich in die Zeit zurückversetzt, als ich Suchtverhalten noch nicht verstand. Ich verstand nicht, dass gute Menschen wirklich schlimme Dinge tun können, wenn die Sucht sie kontrolliert. Ich dachte, ich würde verrückt.
Wenn ich wieder Anzeichen für die Sucht entdeckte, gellten mir schreckliche Warnungen in den Ohren: „Du bist nicht sicher. Es passiert schon wieder. Alles war nur eine Lüge. Es wird dich wieder völlig umhauen. Das wirst du nicht überstehen.“
Ich schüttelte den Kopf. Ich krümmte mich zusammen und aus meinem tiefsten Inneren brach ein Schluchzen hervor. Ich hatte all die Liebe und Vergebung gegeben, die ich zu geben
hatte, und es war nicht genug gewesen. Jemandem seine Liebe zu schenken, ist etwas ungeheuer Schönes. Liebe zu empfangen, etwas ungeheuer Erfüllendes. Aber damit diese Liebe wahrhaft und dauerhaft gedeihen kann, braucht sie den Schutz des Vertrauens. Ohne Vertrauen stirbt die Liebe ab. Und deshalb musste ich es sagen: „Du kannst kein Vertrauen aufbauen, wenn das Vertrauen immer wieder enttäuscht wird.“
Als ich diese Worte aussprach, hatte ich das Gefühl, mir eine der schlimmsten Niederlagen meines Lebens einzugestehen. Ich hatte die falsche Vorstellung, dass man als Christ unter allen Umständen immer das Beste vom anderen annehmen muss. Dass es lieblos ist, Grenzen zu setzen. Dass es ehrenwert und lobenswert ist, unter allen Umständen an einer Beziehung festzuhalten. Heute glaube ich das nicht mehr.
Inzwischen glaube ich, dass wir das ehren sollten, was Gott Ehre macht. Und dabei dürfen wir das gute Gebot von Liebe und Vergebung nicht damit verwechseln, dass wir Dinge zulassen und vertuschen, die Gott keine Ehre machen. Wenn das schlimme Verhalten eines anderen uns praktisch schon auffordert zu gehen, dann sollten wir auch ernsthaft darüber nachdenken.
Mein Seelsorger Jim Cress hat einmal ein Kissen genommen und es zwischen mein Gesicht und seines gehalten. Er sagte: „Wenn du mit dieser Person sprichst, muss alles, was du sagst, zuerst an der Sucht vorbei. Du sprichst gar nicht mit dem Menschen, den du liebst.“
Ich wusste, dass Jim recht hatte. Ich versuchte immer wieder, mit der irrationalen Sucht zu reden – aber es gab nur zwei Dinge, die ich für den Betroffenen sein konnte: In seinen Augen war ich entweder ein Ermöglicher oder ein Feind. Der Ermöglicher wird manipuliert. Der Feind wird angelogen. Aber weder in der Manipulation noch in der Lüge verbirgt sich auch nur ein Hauch Liebe. Liebe atmet Vertrauen. Die Sucht nimmt der Liebe die Luft zum Atmen, bis sie schließlich erstickt.
Ich war zwar nicht diejenige, die sich für ein Leben mit der Sucht entschieden hatte, aber ich war diejenige, die jetzt eine Grenze gezogen hatte, die nicht mehr überschritten werden durfte. Doch tief in meinem Inneren wusste ich, dass sie wieder überschritten werden würde, genau wie viele andere Male zuvor.
Mir war inzwischen bewusst, dass er sich so in seine zahlreichen Süchte verstrickt hatte, dass ich nicht länger mit dem Mann sprach, den ich liebte.
Seine Augen sahen zwar so aus wie die Augen, in die ich unzählige Male geschaut hatte, aber sein wahres Ich war nicht mehr da. Er konnte nicht sehen, was ich sah. Er würde nicht hören, was ich ihm sagte. Obwohl wir keinen Meter voneinander entfernt waren, tat sich zwischen uns ein Abgrund auf.
Wir dürfen das gute Gebot von Liebe und Vergebung nicht damit verwechseln, dass wir Dinge zulassen und vertuschen, die Gott keine Ehre machen.
Gesundes kann sich nicht mit Ungesundem verbinden.
Also musste ich entweder ungesund werden und den Kreislauf weiter unterstützen, oder ich musste an den Grenzen festhalten, auf die wir uns geeinigt hatten. Als es in unserer Beziehung einmal bergauf gegangen war, hatten wir schriftlich festgehalten, welche Dinge in unserer Beziehung zukünftig annehmbar sein sollten und welche nicht. Und jetzt war die Realität dieser gebrochenen Versprechen niederschmetternd. Ich wollte mir nicht eingestehen, dass die Sucht zurückgekehrt und wieder an die Oberfläche gekommen war. Wenn ich mir das eingestand, war ich gezwungen, den Mann, den ich liebte, wieder seinen eigenen Entscheidungen zu überlassen. Um diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten, würde ich seine Hand loslassen müssen. Ich musste das loslassen, was einen
so großen Teil meines Lebens ausgemacht hatte. Ich musste aufhören, immer wieder in die Bresche zu springen, um ihn zu retten. Und dann musste ich mich selbst ermahnen, jeden Tag tausendfach schmerz- und angsterfüllt Luft zu holen. Ich wusste, dass ich mich eines Tages im Spiegel anstarren und fragen würde: Was wäre, wenn ich ihn noch ein Mal rette und dann endlich alles anders wird? Oder wenn ich ihn nicht rette und etwas ganz Schreckliches passiert? Werde ich das für den Rest meines Lebens bereuen? Kann ich sonst irgendetwas tun?
Aber Dank der klugen Ratschläge, die ich bekommen hatte, wusste ich, dass ich nichts tun konnte. Und das kam mir wie eine beschämende Niederlage vor. Es ist schwer, die Verantwortung für etwas zu übernehmen, das du dir nicht selbst ausgesucht hast. Ich wusste, dass ich für die Konsequenzen einer Sucht, die nicht meine eigene war, eigentlich auch nicht verantwortlich war. Aber wenn dein Leben so eng mit dem eines anderen verwoben ist, dass man eins ist, kann es einen in den Wahnsinn treiben, zusehen zu müssen, wie jemand Entscheidungen trifft, von denen man weiß, dass sie ihn zerstören werden. Selbst wenn die Entscheidungen nicht die eigenen sind, sondern die dieser Person, haben die Konsequenzen doch Auswirkungen auf alle Menschen, die diese Person lieben. Es ist wie bei einer Handgranate: Man muss nicht derjenige sein, der den Sicherungsstift herauszieht, um schwere Verletzungen von den Splittern oder Trümmern davonzutragen.
Man kann mit einem Menschen, der in einer Sucht gefangen ist, genauso wenig vernünftig argumentieren, wie man eine scharf gemachte Granate überreden kann, nicht zu explodieren. Wenn der Stift herausgezogen wurde, setzt das eine Kettenreaktion in Gang, die Verwüstungen anrichtet. Die meisten Menschen mit Suchtproblemen bringen abstruse Rechtfertigungen hervor, die keinen Sinn ergeben. Sie nehmen keinerlei Rücksicht auf andere, sondern glauben tatsächlich, dass ihre Entscheidungen nur sie allein betreffen.