EinFürsprecher
SohabenwireinenFürsprecherbeidemVater, JesusChristus,denGerechten.
(1.Johannes2,1)
EinengmitderFürbitteverbundenerGedankeistderder Fürsprache.DiezweiGedankenüberlappensich.Dochin dengriechischenBegriffengibtesdocheineleichteunterschiedlicheNuance. 58 DasEintretenhatdenGedankenderVermittlungzwischenzweiParteien,siezusammenzubringen.Die Fürspracheistähnlich,abersieenthältdenGedanken,sichan jemandanderenanzupassen.EinEintretenderstehtzwischen zweiParteien.EinFürsprecherstehtnichtnurzwischenzwei Parteien,sondernstelltsichaufdieSeiteeinerPartei,wenner sichderanderennaht.Jesustrittnichtnurfürunsein,sondern eristunserFürsprecher.UndwiedieFürbitteistdieFürsprache einevernachlässigteLehreinderheutigenKirche,abersie kommtdirektausderTiefedesHerzensChristi.
BunyanschriebeinBuchüberHebräer7,25,derSchlüsseltext fürdasEintretenimHimmel;erschriebaucheinesüber1.Johannes2,1,denSchlüsseltextfürdiehimmlischeFürsprache Christi,wosteht:»MeineKinder,diesschreibeicheuch,damit
58 Griech.»parakalẹō«=»zuetwasaufrufen«und»entygchạnō«=»für jemandeintreten«(Anm.d.Hrsg.).
ihrnichtsündigt!Undwennjemandsündigt,sohabenwireinen FürsprecherbeidemVater,JesusChristus,denGerechten.«
DieBotschaftderGnadedesNeuenTestamentsistnicht gleichgültiggegenüberderMoral.Johannessagtausdrücklich, dasserdiesenBriefschrieb,damitseineLeser»nichtsündigen«. UndwenndasdieeinzigeBotschaftdesBriefeswäre,wäredies eineberechtigteundkorrekteAufforderung.Abersiewürdeuns erdrücken.WirbrauchennichteinfachErmahnungen,sondern Befreiung.WirbrauchenChristusnichtnuralsKönig,sondern auchalsFreund,nichtnurüberuns,sondernauchnebenuns. Unddasistes,wasunsderRestdesVersesmitteilt:»Undwenn jemandsündigt,sohabenwireinenFürsprecherbeidemVater, JesusChristus,denGerechten.«
DergriechischeBegriff,derin1.Johannes2,1für»Fürsprecher« verwendetwird(parạklētos),kommtnurfünfmalimgesamten NeuenTestamentvor.DieanderenvierStellenfindenwirallein derBelehrungimObergemachinJohannes14bis16,undjede beziehtsichaufdenDienstdesHeiligenGeistes,nachdemJesus indenHimmelaufgefahrenist(vgl.Joh14,16.26;15,26;16,7).Es istschwierig,dieBedeutungvon parạklētos mitnureinempassendenWortwiederzugeben.DieseSchwierigkeitzeigtsichauch indergroßenBandbreiteanÜbersetzungen,wieetwa»Anwalt« (Bruns;NeÜ;UlrichWilckens),»Beistand«(BaBi;ELB06;EÜ) »Fürsprecher«(Schl2000;LÜ84;ZÜ),»Helfer«(Hfa,GNB; Menge;NGÜ),»Ratgeber«(NLB)oder»Tröster«(LÜ84).Bei vielendieserÜbersetzungengibteseineFußnote,diealternative Lesartenerwähnt,wasdieSchwierigkeitaufzeigt,dieBedeutung von parạklētos miteinemeinzigenWortganzzuerfassen.Der GedankebeziehtsichaberaufeinePerson,diesichfürjemand andereneinsetzt.VielleichtkommtderBegriff »Anwalt«vonall
unserenWortendemamnächsten,wasdieRolledes parạklētos beschreibt.FrüheTheologenwieetwaTertullianoderAugustinus,dieaufLateinschrieben,übersetzten parạklētos imNeuen Testamentdeshalbstetsmit advocatus. 59
DerTextvon1.JohannessagtdirektinAnschluss,dassJesus auch»dasSühnopferfürunsereSünden«ist(1.Joh2,2).Jesusals unserSühnopfermeint,dasserdengerechtenZorndesVaters überunsereSündebeschwichtigtoderabgewendethat.Dasist einrechtlicherBegriff,einsachlicherTerminus.ChristusalsunserFürsprecherhatvielleichteineleichtrechtlicheNote,dochin derfrühenLiteraturaußerhalbdesNeuenTestamentshateseine mehrsubjektiveBedeutungundbringttiefeSolidaritätzumAusdruck.JesusnimmtanunseremechtenErlebenAnteil.Erfühlt, waswirfühlen.Erkommtunsnahe.UndersprichtvollerSehnsuchtfüruns.
FürwenistdieserFürsprecherda?DerTextsagt,fürjeden vonuns.DieeinzigenötigeQualifikationistderWunschdanach.
WannerhaltenwirdieseFürsprache?DerTextsagtesuns.Er sagtnicht,dasswireinenFürsprecherhabenwerden,sondern dasswirbereitseinenFürsprecherhaben.Jeder,der»inChristus«ist,hatgeradejetztjemanden,derseinFürsprecherist.
WarumkannunsdieserFürsprecherhelfen?DerTextsagt uns,erist»derGerechte«.Erunderallein.Wirsindungerecht, eristgerecht.SelbstunserebesteReuefürunsereSündenist nochdurchgrößereSündebefleckt,dieweitereVergebungnötig
59 WalterBauer, Griechisch-deutschesWörterbuchzudenSchriftendes NeuenTestamentsundderfrühchristlichenLiteratur,hrsg.v.Kurtund BarbaraAland(Berlin/NewYork:WalterdeGruyter, 61988),Sp.1249f.
hat.Esisthoffnungslos,ohneeinenFürsprecherzumVaterzu gehen.WennmaneinenFürsprecherzumVerbündetenhat;einen,dermichausgesuchthat,stattzuwarten,dassichzuihm komme;einen,deraufjedeArtundWeisegerechtist,wieiches nichtbin,dannistdasvordemVaterberuhigendundgibtVertrauen.
WirwollennungenauerdenUnterschiedzwischendemEintretenChristiundseinerFürsprachebetrachten,indemwiraufden UnterschiedzwischenHebräer7,25und1.Johannes2,1eingehen.Hebräer7,25sagt,dassChristusfürimmerlebt,»umfürsie einzutreten«,während1.Johannes2,1sagt:»Undwennjemand sündigt,sohabenwireinenFürsprecher.«
ErkennenSiedenUnterschied?DieFürbitteistetwas,das Christusimmertut,währendseineFürsprachelediglichetwas ist,dasertut,wenndieGelegenheiteserfordert.ErtrittoffensichtlichangesichtsunsererallgemeinenSündhaftigkeitfüruns ein,abereristunserFürsprecherimFallvonspezifischenSünden.Bunyanerklärtdiesso:
Christus,alsPriester,gehtvorneweg,undChristus,alsFürsprecher,folgtunsnach.
ChristustrittalsPriesterständigfürunsein.Christusals FürsprecherbittetfürunsimFallvongroßenVergehen.
AlsPriestermussChristusimmertätigsein,aberalsFürsprechernurmanchmal.
AlsPriesterhandeltChristusinZeitendesFriedens. DochalsFürsprecheragiertChristusinZeitendesAufruhrs,derTurbulenzenunddesschwerenStreits.Deshalb istChristusalsFürsprecher,sowillichihnnennen,eine Reserve,undseineZeitaufzutreten,aufzustehenundzu
bittenistdann,wenndieSeinenmiteinerschmutzigen Sündebeflecktsind,indiesiekürzlichgefallensind. 60
BeachtenSie,wie persönlich dieFürspracheChristiist.Dasist keinstatischerTeilseinesWerkes.SeineFürsprachetrittauf, wenndieGelegenheiteserfordert.DieBibellehrtankeinerStelle,dass,wennwireinmalgerettet,mitChristusvereintsind,wir sehen,dassschlimmeSündennurzuunsererVergangenheitgehörenwürden.EsistimGegenteilunsererneuerterStand,der unsmehrfürdieUnanständigkeitunsererSündesensibilisiert hat.Nachdemwirgläubiggewordensind,fühlensichunsere Sündenweitaussündigeranalsjezuvor.Unddasistnichtnur unseregefühlteWahrnehmungunsererSündhaftigkeit.Wir sündigentatsächlichweiter,wennwirgläubiggewordensind. ManchmalbegehenwirauchschwereSünden.Unddafürgibt esdieFürspracheChristi.DasistGottesWeg,umunszuermutigen,nichtdasHandtuchzuwerfen.Ja,wirenttäuschenChristusalsseineJünger,dochseineFürsprachefürunsreichtweiter alsunsereSünden.SeineFürsprachesprichtlauteralsunserVersagen.Erkümmertsichumalles.
WennSiesündigen,danndenkenSieanIhrenrechtlichen StandvorGottdurchdasWerkChristi.DochdenkenSieauch anIhrenFürsprechervorGottdurchdasHerzChristi.Ersteht aufundtrittfürIhreSacheeinundstütztsichdabeiaufden VerdienstseinesLeidensundseinesTodes.IhrHeilistnicht nureinerettende Formel,sonderneinerettende Person.Wenn Siesündigen,wirdseineKraftumsogrößer,dieSündezubeseitigen.WennseineGeschwisterstrauchelnundversagen,dann verteidigtersie, weildasseinWesenist.Erkannesnichtüber
60 JohnBunyan,»TheWorkofJesusChristasanAdvocate«,in The WorksofJohnBunyan,hrsg.v.GeorgeOffor,NDin3Bde(Edinburgh: BannerofTruth,1991),Bd.1,S.169.
sichbringen,unsalleinzulassen,damitwirfürunsalleinkämpfen.
BetrachtenSieIhreigenesLeben.WieschätzenSiedieHaltungJesugegenüberdiesemdunklenFleckinIhremLebenein, dennurSiealleinkennen?DenHangzumAlkohol.DassSie immerwiederdieBeherrschungverlieren.Ihrfragwürdiges finanziellesVerhalten.DenunverbesserlichenDrang,denMenschenzugefallen,deraufanderewieNettigkeitwirkt,vondem Sieaberwissen,dassesMenschenfurchtist.DiesertiefverwurzelteÄrger,derinAnklagenhinterdemRückenvonjemandem hervorbricht?DengewohnheitsmäßigenGebrauchvonPornografie?
Wer ist JesusindiesenMomentendergeistlichenFinsternis? Nicht:Werister,wennSieeinmalgegendieseSündegesiegt haben,sondernweristermittendarin?DerApostelJohannes sagt:ErstehtaufundtrotztallenAnklägern.»Satanhattedas ersteWort,dochChristushatdasletzte«,schriebBunyan,»Satan kannnichtsmehrsagen,wennunserAnwaltseinPlädoyergehaltenhat.« 61 JesusistunserParaklet,unsertröstenderVerteidiger;derjenige,dernäherist,alswireserkennen;undseinHerz istso,dasseraufstehtundfürunseintritt, wenn wirsündigen, nichtnachdemwirdiesüberwundenhaben.IndiesemSinnist seineFürspracheselbstschonunserSiegdarüber.
Wirwerdenwirklichaufgefordert,dieSündezulassen,und keinaufrichtigerChristwürdeetwasanderesbehaupten.Wenn wirdieSündewählen,verleugnenwirunserewahreIdentitätals KinderGottes;wirlassenschlimmeDingeinunserLebenund wirmissfallenunseremhimmlischenVater.Wirsinddazuaufgerufen,einetieferepersönlicheHeiligkeitzuerlangen,wennwir mitdemHerrnleben,unsmehrhinzugebenundneuenGehor-
61 Bunyan,»TheWorkofJesusChristasanAdvocate«,in Works,Bd.1, S.194.
EinFürsprecher
samzuzeigen.Dochwennwirdasnichttun wennwirsündigen ,verlassenwirzwarunsereechteIdentität,aberunserHeilandverlässtunsnicht.DassindgenaudieMomente,indenen seinHerzfürunsdurchneueFürspracheimHimmelmiteiner widerhallendenVerteidigunghervorbricht,deralleAnklagen zumSchweigenbringt,dieEngelerstauntundfeiernlässt,dass derVaterunstrotzallunsererUnordnungannimmt.
WelcheArtvonChristentstehtdurchdieseLehre?
GefalleneMenschenverteidigensichvonNaturausselbst. Daskommteinfachausunsheraus.Wirentlastenunsselbst, verteidigenunsselbst.WirbrauchenkleineKindernichtzulehren,Ausredenzu finden,wennsiedabeierwischtwerden,dass siesichfalschverhaltenhaben.EsgibteinennatürlicheneingebautenMechanismus,dersofortaufTourenkommtunderklärt, weshalbeswirklichnichtihreSchuldwar.UnsergefallenesHerz bringtintuitivGründehervor,weshalbunsereLagenichtwirklichsoschlimmsei.Daszeigtsichnichtnur,wennwirsündigen, sondernauchinunsererReaktionaufdieSünde.Wirredensie klein,entschuldigensie,wirerklärensieweg.Kurzgesagt,wir verteidigenuns,undseiesnurinunseremHerzen.Wirtreten fürunsselbstein.
Wasist,wennwirunsnieselbstverteidigenmüssten,weiljemandanderesbereitsunternommenhätte,dieszutun?Wasist, wenndieserVerteidigerumfassendweiß,wiesehrwirgefallen sind,unddochgleichzeitigeinevielbessereVerteidigungvorbringenkann,alswiresjekönnten?KeinVerschiebender SchuldoderAusreden,wozuunsereSelbstverteidigungneigt, sondernvollkommenzuRecht,indemeraufseinallgenügsames OpferundseineLeidenamKreuzanunsererStelleverweist? Wirwärenfrei.FreivondemZwang,sichselbstverteidigenzu müssen,durcheineneigenenBeitragunserSelbstwertgefühlaufwertenzumüssen;freidavon,anderenstillunsereTugenden vorzuführenunddabeiunterbewusstschmerzlichvonunserer
MinderwertigkeitundSchwächezuwissen.WirkönnenChristusunsereSacheüberlassen,demeinzigGerechten.
Bunyandrücktesampassendstenaus:
ChristuszahltemitBlutfüruns.Dochdasistnichtalles.
ChristushatfürunsalsHauptmanndenTodunddasGrab besiegt.ChristustrittfürunsalsPriesterimHimmelein. Dochdasistnichtalles.DieSündeistimmernochinuns undbeiunsundmischtsichunteralles,waswirtun,seies nuningeistlichenoderweltlichenDingen.Esgehtnicht nurumunserBetenundunserePredigten,unserHören undPredigen.UnsereHäuser,Läden,Geschäfteundunsere BettensindalledurchSündeverunreinigt.
UndderTeufel,unserFeindamTagundinderNacht, unterlässtesauchnicht,unseremVaterunsereschlechten Tatenzuberichten,unddrängtdarauf,dasswirdafürfür immerenterbtwerden.
Waswürdenwirtun,wennwirnichteinensolchenAnwalthätten;ja,wennwirnichtjemandenhätten,derfüruns eintritt.Ja,wennwirnichtjemandenhätten,derobsiegen kannundderdiesesAmttreufürunsausübt?Nun,wir müsstensterben.
Dochweilwirdurchihngerettetsind,wollenwir,was unsselbstbetrifft,unsdieHandaufdenMundlegenund einfachnurstillsein. 62
MachenSieIhreSündenichtkleinoderentschuldigenSiesie nicht.BringenSiekeineVerteidigungvor.BringenSiesieeinfachdemjenigen,derbereitszurRechtendesVaterssitztundfür SieaufderGrundlageseinereigenenWundenfürSieeintritt.
62 Bunyan,»TheWorkofJesusChristasanAdvocate«,in Works,Bd.1, S.197.
EinFürsprecher
SorgenSiedafür,dassIhreeigeneGerechtigkeitSieinallIhrer FinsternisundVerzweiflungzuChristus,demGerechten,inall seinerHerrlichkeitundGenugsamkeittreibt.