

Glaubt Gott an Geschlechtervielfalt?
Samuel Ferguson
Glaubt Gott an Geschlechtervielfalt?
Eine biblische Sicht auf Gender und Identität
Samuel Ferguson
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Titel des englischen Originals: Does God Care about Gender Identity?
© 2023 by Samuel D. Ferguson
Published by Crossway a publishing ministry of Good News Publishers
Wheaton, Illinois 60187, U.S.A.
This edition published by arrangement with Crossway. All rights reserved.
Wenn nicht anders angegeben, wurde folgende Bibelübersetzung verwendet: Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
© 2025 Verbum Medien gGmbH
Kleines Lohfeld 6 D-32549 Bad Oeynhausen verbum-medien.de info@verbum-medien.de
Übersetzung: Frauke Bielefeldt
Lektorat: Lydia Diefenbach
Umschlag: Ben Stafford
Bilder: Unsplash
Satz: Satz & Medien Wieser
Druck und Bindung: Totem, Polen
1. Auflage 2025 Best.-Nr. 8652 333
ISBN 978-3-98665-333-0
E-Book 978-3-98665-334-7
Hörbuch 978-3-98665-335-4
DOI 10.54291/t589674272
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»Es ist echt hart«, flüsterte Marie unter Tränen. Die vierfache Mutter informierte mich über den Stand der Transition*, also des Geschlechtswechsels, ihrer ältesten Tochter. Marie liebt ihr Kind über alles und hat in jeder Phase der Transition alles daran gesetzt, informiert zu bleiben und das liebevolle Gespräch aufrechtzuerhalten. Es war herzzerreißend für sie, zu sehen, wie ihr Kind mit 18 Jahren Hormonbehandlungen beginnt, sich zwei Jahre später einer beidseitigen Brustamputation unterzieht und im Alter von 23 Jahren nun darum kämpft, diese neu gewählte Identität mit einem monatlichen Behandlungsplan zu bewältigen.
Marie und ihr Mann baten mich zum ersten Mal um ein gemeinsames Treffen, als ihr Highschool-Kind Skylarr1 verkündete, dass es zwar biologisch weiblich, aber eigentlich männlich sei. Ich steckte mitten in meiner Doktorarbeit zur theologischen Anthropologie und untersuchte, was die Bibel über das Menschsein sagt. Mein besonderer Schwerpunkt waren Fragen rund um Körper und Identität. Als Pastor habe ich
* Am Ende des Buches befindet sich ein Glossar, in dem Begriffe wie dieser erklärt werden.
einige Erfahrungen mit der Begleitung von Freunden, die unter Geschlechtsdysphorie leiden – ein Fachbegriff für schwere und anhaltende Spannungen zwischen dem biologischen Geschlecht und dem psychischen Geschlechtsempfinden.2 Skylarr und ich trafen uns etwa ein Jahr lang monatlich im Haus der Familie. Skylarr band sich gerade die Brüste ab und probierte männliche Kleidung aus. Wir sprachen viel über das, was die Journalistin Katie Couric zusammen mit dem National Geographic 2017 als »Gender Revolution«3 bezeichnet hat.
In jenem Jahr posierten junge Menschen auf dem Titelblatt des Magazins, die jeweils eine der neuen Geschlechtsidentitäten repräsentierten. Darunter sind nicht-binäre, androgyne und bigender Menschen, Transfrauen und Transmänner. Das Titelbild machte deutlich, dass die Gender-Revolution mehr beinhaltet, als nur, dass ein biologischer Mann eine Frau sein kann und umgekehrt: Sie markiert den Zusammenbruch einer zweigeschlechtlichen Welt, den Triumph der Psychologie über die Biologie.
Bis in die 1960er-Jahre wurde der Begriff gender synonym mit sex (dt. »Geschlecht«) verwendet und so auf die biologische Tatsache verwiesen, dass Menschen als Mann oder Frau geboren werden. Diese beiden
biologischen Geschlechter ließen sich durch ihre Chromosomen, Fortpflanzungsstrukturen, Hormonspiegel und anatomische Merkmale unterscheiden.4 Viele moderne Denker, wie die feministische Psychologin Hilary Lips, erkennen immer noch die Realität der Zweigeschlechtlichkeit von männlich und weiblich an.5 Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich die Bedeutung von gender vom biologischen Geschlecht gelöst. Der heute verwendete Begriff bezieht sich ausschließlich auf »die psychologischen, sozialen und kulturellen Aspekte des Mann- oder Frauseins«.6 Die Geschlechtsidentität (das Selbstverständnis des Menschen über sein Geschlecht) muss also nicht mehr zwangsläufig mit seiner Biologie einhergehen. Das ist die revolutionäre Idee der Gender-Revolution. Und da die Flussufer der Biologie beseitigt sind, fließt die Geschlechtsidentität nun so frei und grenzenlos wie die eigenen Gefühle.
Eine aktuelle Liste von Geschlechtsidentitäten umfasst die Begriffe gender-kreativ (für diejenigen, die sich auf vielfältige Weise außerhalb des männlich/weiblich-Binärsystems identifizieren) und gender-fließend (für Menschen, deren Geschlechtsidentität sich in einem gewissen Fluss befindet).7 Die Gender-Revolution steckt noch in den Kinderschuhen und Begrifflichkeiten variieren, aber eins ist klar: Diese Bewegung wirkt
in unzählige Bereiche hinein – von den Medien bis in die Medizin, von der Unterhaltung bis in die Bildung, von der Literatur bis in die Gesetzgebung und sogar in meinen Dienst als Pastor.
Skylarr bezeichnete sich als Christ und war offen dafür, die biblische Sicht auf das Thema Geschlecht zu erkunden. Gemeinsam haben wir uns die ersten Kapitel der Bibel angesehen und darüber gesprochen, wie zu Beginn der Geschichte die Realität des Unterschieds der Geschlechter (männlich/weiblich) zur Sprache kommt. Im ersten Kapitel lesen wir:
»Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.« (1 Mose 1,27)
Wir fanden es auffällig, dass ein Buch, das im Rahmen der Gründung Israels verfasst wurde, in der Erzählung zum Anfang der Menschheit keine ethnische Zugehörigkeit oder Nationalität erwähnt. Stattdessen wird im 1. Buch Mose der Unterschied der Geschlechter als wesentlich für das Menschsein offenbart. Das Geschlecht steht im Zentrum unserer Identität.
Aber was versteht die Bibel darunter? Schließlich taucht der Begriff Gender weder in 1. Mose noch
anderweitig in der Bibel auf. Lässt Gottes Wort die moderne Trennung von biologischem Geschlecht und Gender zu? Skylarr war überzeugt davon und hielt es für möglich, dass ein Mann in einem weiblichen Körper geboren werden kann und darin gewissermaßen gefangen ist. Sie meinte: »Gott hat mich als Mann geschaffen. Aber aus irgendeinem Grund wurde ich in einem weiblichen Körper geboren und Gottes Berufung für mein Leben ist es, der Mann zu werden, den er geschaffen hat.«
Skylarr bezeichnete sich selbst als »trans*«. Das Wort bezieht sich auf Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit ihrem biologischen Geschlecht übereinstimmt. Das Sternchen, welches Skylarr hinter trans setzt, »ermöglicht den Bezug zu einer Vielzahl verschiedener Identitäten«8 – nämlich das Spektrum an Identitäten, die unter dem »T« in »LGBTQ« zusammengefasst werden. Ich hingegen bin cisgender, also jemand, bei dem »Geschlechtsidentität und Geburtsgeschlecht übereinstimmen«.9 In diesem Buch verwende ich Begriffe wie »biologisches Geschlecht«, »Geschlechtsidentität« und »trans« mit Blick auf den heutigen Sprachgebrauch und werde untersuchen, inwieweit die aktuellen Definitionen und Vorstellungen mit Aussagen der Bibel übereinstimmen.
Nach unseren Bibelstudien blieb ich oft zum Abendessen. Skylarrs Eltern haben Doktortitel von erstklassigen Hochschulen und pädagogische Erfahrung. Sie haben sich intensiv um die Ausbildung ihrer Kinder bemüht. Doch wie viele Eltern fühlten sie sich nicht gewappnet, um auf die Geschlechtsdysphorie ihres Kindes zu reagieren. Sie waren krank vor Sorge um das Wohl ihres Kindes und wollten es unbedingt unterstützen. So fühlten sie sich hin- und hergerissen zwischen Mitgefühl und umsichtiger Führung für einen verletzten jungen Menschen. Die Fragen, die sie stellten und die in meinen Gesprächen mit Skylarr aufkamen, stellen sich viele, die durch die aktuelle Transgender-Bewegung verunsichert sind:
Ist es möglich, dass der Geist eines Jungen im Körper eines Mädchens gefangen ist? Gibt es biblische oder wissenschaftliche Beweise dafür, dass das Geschlecht eine rein psychologische und gesellschaftliche Realität ist, die nichts mit Biologie zu tun hat? Hat Gott unser Geschlecht geschaffen und uns zugewiesen? Sind unser Körper oder aber unsere Gedanken der wahre Wegweiser unserer Identität? Was sollen wir von den neuartigen und oft unumkehrbaren Praktiken der Transition halten? Was, wenn Skylarr in zehn Jahren anders über ihre Brustamputation denkt?
Warum dieses Buch?
Dieses kurze Buch richtet sich an alle, die sich für die gewandelten Vorstellungen von Geschlecht und Gender interessieren oder davon betroffen sind. Es ist aus meinen Erfahrungen im Pastorendienst entstanden, in dem ich Menschen mit Geschlechtsdysphorie und ihre Familien begleitet habe. Ob du nun Christ, ein Elternteil oder einfach nur neugierig auf Gender, Identität und unsere allgemeine Sehnsucht nach Veränderung bist: Dieses Buch ist für dich! Ich hoffe, dass du hier Einfühlungsvermögen, Klarheit und etwas praktische Hilfe zu diesem komplexen und sensiblen Thema findest.
In diesem Buch bewegen mich generell zwei Motive. Einerseits geht es darum, die Dinge tiefer zu verstehen und andererseits auch mitfühlend zu handeln.
Tiefer verstehen
C. S. Lewis wies einmal darauf hin, dass ein Gedanke, der neu aufgekommen ist, noch in der Testphase und auf dem »Prüfstand« ist. Bevor er angenommen wird, muss er »an der Gesamtheit des christlichen Denkens aller Jahrhunderte gemessen und alle verborgenen Bezüge … müssen ans Licht geholt werden«.10 Dies gilt mit Sicherheit für Gedanken, die die Behauptung möglich machen: »Ein Jungengeist ist in einem Mädchenkörper«.11 Für den längsten Teil der menschlichen Geschichte wäre dieser Satz völlig unverständlich gewesen. Er geht davon aus, dass Gender nichts mit Biologie zu tun hat und dass Menschen in verschiedene Bereiche unterteilt werden können. Diese Vorstellungen haben weitreichende Konsequenzen, die oft unumkehrbar sind, wenn sie tatsächlich umgesetzt werden. Wir müssen die aktuelle Transgender-Bewegung mit ihrem Denken und ihrer Praxis wirklich verstehen – und diese Ideen mit dem vergleichen, was die Bibel über den Menschen als Mann und Frau sagt. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich werden, mit denen sich drei zentrale Fragen beantworten lassen:
1. Ist der Körper wesentlicher oder nebensächlicher Bestandteil der Geschlechtsidentität?
2. Welcher Weg führt aus dem Unwohlsein mit dem eigenen Geschlecht hin zu einer inneren Akzeptanz?
3. Weist Gott uns unser Geschlecht zu – ob wir männlich oder weiblich sind und zum Leben als Mann oder als Frau berufen sind? Wenn ja, woran können wir das erkennen und welche Auswirkungen hat das auf unseren Lebensstil?
Mitfühlend handeln
Wir wollen die Transgender-Bewegung in ihren Grundüberzeugungen verstehen. Gleichzeitig wollen wir auch danach fragen, wie Mitgefühl und Orientierung nach biblischen Maßstäben aussehen können. Besonders im Hinblick darauf, wie man jemandem begegnet, der sich als trans geoutet hat. Wie sollten Eltern für ein Kind in Not sorgen? Kann ein Christ eine Geschlechtsumwandlung unterstützen?
Christen sollten auch erkennen, dass die Transgender-Bewegung Chancen für Jüngerschaft bietet. Welche