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INHALT/CONTENT
ESSAYS
INKE ARNS
11 YOU CAN’T MAKE THIS UP
Anmerkungen zur Ausstellung von Silke Schönfeld
15 YOU CAN’T MAKE THIS UP
Notes on the Exhibition of Silke Schönfeld
AGUSTINA ANDREOLETTI
19 WAS VON VERBINDUNGEN ZWISCHEN MENSCHEN BLEIBT
Agustina Andreoletti im Gespräch mit Silke Schönfeld
27 WHAT REMAINS OF CONNECTIONS BETWEEN PEOPLE
Agustina Andreoletti in Conversation
With Silke Schönfeld
FLORIAN WÜST
35 SPIEL OHNE GRENZEN?
Gedanken zu Silke Schönfelds
No More Butter Scenes
43 PLAY WITHOUT BOUNDARIES?
Thoughts on Silke Schönfeld’s
No More Butter Scenes
WERKE/WORKS
49 EIN PROZENT – IMAGINED COMMUNITIES
61 NOTHING IN THIS WORLD CAN TAKE THE PLACE OF PERSISTENCE
73 NO MORE BUTTER SCENES
85 ICH DARF SIE IMMER ALLES FRAGEN
101 DIE UNVORZEIGBARKEIT DESSEN, WAS NIE HÄTTE GESCHEHEN SOLLEN
ANHANG/APPENDIX
113 EINFACHE SPRACHE / PLAIN LANGUAGE
123 BIOGRAFIE/BIOGRAPHY
124 WERKVERZEICHNIS / LIST OF WORKS
126 VERANSTALTUNGEN/EVENTS
129 AUSSTELLUNGSANSICHTEN / EXHIBITION VIEWS
143 IMPRESSUM/IMPRINT
SILKE SCHÖNFELD
I believe that all people have experiences in their lives that are similarly contradictory.
AGUSTINA: I don’t know if everyone can deal with this ambivalence as well as you can. Trusting someone who you know can be loving but also hurtful causes a lot of inner friction.
SILKE: I think it’s always good to try to see and say things as they are. And of course it’s important to get to know and respect your own needs and boundaries. That can also drastically change our relationships with others. I still like the title of the film with my mother [I may always ask her anything], because it may sound innocent at first, but it’s also an invitation and at the same time a painful task that is imposed on you.
AGUSTINA: I like the title too, especially because it implies trust. Mutual trust is something that often comes up when you talk about your work. You may always ask your mother anything, and she may always tell you anything.
Thank you very much for this conversation and for entrusting your stories to me.


Conten� Note
The video installation focuses on rightwing extremist associations and their political goals, which include racist violence and political persecution.
EN They use terms such as ‘resistance’, ‘we are many’ and ‘grassroots’; on their website, the two board members present themselves, in keeping with the times, with full beards and MacBooks. In the same way that the rightwing political party Alternative for Germany (AfD) gave the word ‘alternative’ a new meaning, here we also see a reframing of terms that were formerly used by the leftwing opposition. The movement ‘Ein Prozent für unser Land’ [One Percent for our Country] is a selfproclaimed, altright citizens’ network committed to the ‘patriotic protest against the irresponsible policy of mass immigration and the evergrowing gap between the ruling political caste and the actual sovereign—the people’. The association, founded in the Saxon town of Oybin, stages itself successfully in social media through emotionalising propaganda films—in which a ‘patriotic rock band’ with the subversive name ‘Wutbürger’ [ragecitizens] gets to have its say, among others. The citizens’ initiative is monitored by the Federal German Office for the Protection of the Constitution.
Silke Schönfeld took her camera to the locations where ‘protests’ of the movement had already taken place, searching for their traces in the analogue space. The selected images are calm and unspectacular, and are only accompanied by ambient sound. They show familiar German
landscapes—small towns, fields, bus stops, a rustically decorated function room. Everything is very German, very ‘völkisch’—but swastikas are of course nowhere to be seen here.
Only the sparingly displayed textual information, which is indexed according to place and graphically designed to resemble lexicon entries, provides insights into what has happened in the respective places.
We learn that in the restaurant ‘Zum Schäfchen’ in Schnellroda, SaxonyAnhalt, the summer and winter academies of the Institute for State Policy run by the farright intellectual Götz Kubitschek take place. The neoright publishing house Antaios also has its seat in Schnellroda. Visitors of the seminars include young right members of the Identitäre Bewegung [Identity Movement], Ein Prozent e. V. or Junge Alternative. In addition to theoretical input on topics such as homeland, war, gender, elitism, Germany and party power, there is always a sports programme. And in ErfurtMarbach, Thuringia, the local hamster population was invoked as a pretext to prevent the construction of a mosque in the industrial zone. It is precisely through the subtlety of the images and their messages, which pair familiar sights with new information, that Schönfeld conjures the unsettling nature of the attitude and rhetoric of this ‘citizens’ initiative’.




Conten� Note
Die Videoinstallation thematisiert strukturellen Machtmissbrauch in der Film und Theaterbranche. Körperliche Gewalt wird dargestellt.
DE In Silke Schönfelds Videoinstallation geht es um Intimität, Einvernehmen und Grenzüberschreitung im Kontext des Schauspielberufs. Im Setting eines PRInterviews werden die Regeln eines ungeschriebenen Skriptes zunehmend missachtet. Zugleich wird der verbale Schlagabtausch in eine körperliche Auseinandersetzung übersetzt. Wer ist Täter, wer Opfer?
Rund 35 Jahre nach der Premiere des Films Der letzte Tango in Paris (1972) sprach die Schauspielerin Maria Schneider erstmals über den sexuellen Missbrauch, den sie während der Dreharbeiten erlebt hatte. Der Regisseur Bernardo Bertolucci behauptete, er habe seine Hauptdarstellerin im Unklaren darüber lassen müssen, wie die berüchtigte „Butterszene“ mit CoStar Marlon Brando ablaufen würde, um ihre authentische Frustration und Wut einzufangen. Brutalität in der Regieführung als Relikt aus einer archaischen Vergangenheit? Die #MeTooBewegung und auch die jüngsten Enthüllungen zu missbräuchlichen Arbeitsbedingungen an Filmsets und Theatern bilden den Ausgangspunkt von Silke Schönfelds neuproduziertem Film. Sie verdeutlichen, wie aktuell das Thema ist und wie komplex, wird doch die Glaubwürdigkeit von betroffenen Schauspieler*innen immer wieder angezweifelt. Schon weil es doch ihre Profession sei, Gefühle darzustellen.
No More Butter Scenes (2024) untersucht das Verhältnis von Konsens und Intimität im Kontext des Schauspielberufs. In Gestalt eines Kammerspiels mit Lola Fuchs und Mervan Ürkmez in den Hauptrollen ist das Setting an PRInterviews angelehnt, wie sie Schauspieler*innen geben, um Blockbuster zu bewerben. Ein ganz eigenes Genre, das vom Spannungsverhältnis zwischen der Leinwandfiktion und der Selbstinszenierung der Stars als (vermeintliche) Privatpersonen lebt. Die Situation des Interviews wird von Schönfeld schleichend dekonstruiert. Der verbale Schlagabtausch zwischen den beiden Schauspieler*innen entwickelt sich auf körperlicher Ebene zu einer Mischung aus Tanz und Kampf. Übungen aus der Intimitätskoordination werden als Choreografien inszeniert. No More Butter Scenes veranschaulicht die psychologische Komplexität von strukturellem Machtmissbrauch. Die beiden Schauspieler*innen nehmen die Rollen von Zeug*innen und Kompliz*innen ein. Wobei unter anderem die Frage aufkommt, inwiefern es auch die eigenen Ambitionen sein können, die in einem solchen Fall zu einer Kompliz*innenschaft führen.


Conten� Note
Der dokumentarische Kurzfilm thematisiert auf sprachlicher Ebene psychische und physische Gewalt an Kindern. Eine Szene zeigt grafische Gewalt aus dem Tierreich.
DE In dieser Fortsetzung von Ich darf sie immer alles fragen (2023) geht Silke Schönfeld den Kontinuitäten nationalsozialistischer Erziehungsideale in der deutschen Nachkriegsgesellschaft nach.
„Auch in der Kindererziehung und Pädagogik gab es keine ‚Stunde Null‘. Die Generation der Nachkriegskinder in Westdeutschland erlebte noch einen faschistischen Erziehungsstil, sowohl im privaten Bereich als auch in den Bildungseinrichtungen. Inwieweit spielt die Tatsache, dass die frühkindliche Erziehung in privaten Räumen stattfindet und immer noch überwiegend von FLINTA* übernommen wird, eine Rolle bei der fehlenden Aufarbeitung nationalsozialistischer Erziehungsideale? Die Unvorzeigbarkeit dessen, was nie hätte geschehen sollen beschäftigt sich mit den alltäglichen Spuren, die auch heute noch spürbar sind.“ (Silke Schönfeld)
Die vom Nationalsozialismus geprägten Erziehungsmethoden wirken bis heute auf gesellschaftliche Verhaltensmuster. Kinderrechte sind nach wie vor nicht fest im Grundgesetz verankert. Zwar enthält das Bürgerliche Gesetzbuch seit dem Jahr 2000 den Passus, dass entwürdigende Erziehungsmaßnahmen unzulässig sind,1 aber es fällt noch immer schwer, sich von dem Narrativ der Kinder als Tyrannen und Störenfriede zu lösen in einem Land, in dem der von NSIdeologie durchtränkte Erziehungsratgeber Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind der Lungenfachärztin Johanna Haarer noch bis 1987 weiterverlegt wurde – nach dem Krieg zwar ohne das „deutsche“, aber mit gleichbleibendem Ruf nach Disziplin, Gehorsam und Kaltherzigkeit.2
1 Vgl.: Deutsches Kinderhilfswerk: Vom Grundgesetz bis zum Kinder und Jugendhilfegesetz. Gesetzliche Regelungen in Deutschland, in: https://www.kinderrechte.de/kinderrechte/ diegesetzlichenregelungenindeutschland/ [24.07.2023].
2 Vgl. hierzu weiterführend: Sigrid Chamberlain: Adolf Hitler, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind. Über zwei NS-Erziehungsbücher, 7. Aufl., Gießen: PsychosozialVerlag, 2020; sowie Miriam Gebhardt: Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen. Eine Geschichte der Erziehung im 20. Jahrhundert, München: Deutsche VerlagsAnstalt, 2009.
* Anm. d. Hrsg.: Das Akronym FLINTA* steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nichtbinäre, trans und agender Personen – also für all diejenigen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden. Das Gendersternchen soll die Personen inkludieren, die sich in keinem der Buchstaben wiederfinden, aber ebenfalls aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in einer patriarchalen heteronormativen Mehrheitsgesellschaft marginalisiert werden.




SILKE SCHÖNFELD
DE Silke Schönfeld (geb. 1988) studierte bildende Kunst an den Kunstakademien in Münster und Düsseldorf. Von 2020 bis 2022 war sie Residenzkünstlerin an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam. Zu ihren Werken zählen unter anderem der dokumentarische Kurzfilm Ich darf sie immer alles fragen, der ein intimes, transgenerationales Trauma verhandelt und den Prolog zu einem autobiografischen Langzeitprojekt bildet. 2023 wurde Ich darf sie immer alles fragen mit dem Preis des NRWWettbewerbs der Kurzfilmtage Oberhausen sowie dem Deutschen Kurzfilmpreis ausgezeichnet. Für das Ruhr Ding: Klima realisierte sie die dreiteilige Videoinstallation Family Business. Ihre Arbeiten wurden zudem in zahlreichen Kunstausstellungen und auf Filmfestivals präsentiert, unter anderem im GoetheInstitut in Paris, in der CAN Foundation in Seoul, im Garage Rotterdam und im Building Bridges Art Exchange in Santa Monica. Indem sie persönliche Geschichten mit historischen und sozialen Strukturen verwebt, taucht sie in spezifische Kontexte ein und setzt sich mit ihren eigenen Vorurteilen auseinander.
EN Silke Schönfeld (born 1988) studied fine art at the art academies in Münster and Düsseldorf. From 2020 to 2022 she was a resident artist at the Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam. Her works include the documentary short film Ich darf sie immer alles fragen, which explores an intimate, transgenerational trauma and forms the prologue to a longterm autobiographical project. In 2023, Ich darf sie immer alles fragen was awarded the prize of the NRW Competition at the Oberhausen Short Film Festival and the German Short Film Award. As part of the urban art festival Ruhr Ding: Klima, she realised the threepart video installation Family Business. Her work has also been presented in numerous art exhibitions and film festivals, including GoetheInstitut in Paris, CAN Foundation in Seoul, Garage Rotterdam and Building
Bridges Art Exchange in Santa Monica. By interweaving personal stories with historical and social structures, she immerses herself in specific contexts and confronts her own prejudices.


YOU CAN’T MAKE THIS UP

DE Silke Schönfelds (*1988) filmische Inszenierungen sind politische Reflexionen, die häufig in unerwarteten räumlichen und zeitlichen Bezügen stattfinden und sich zwischen Dokumentation und Fiktion bewegen. Die persönlichen Geschichten der Protagonist*innen sind in ihren Filmen immer mit historischen und sozialen Strukturen verwoben.
You Can’t Make This Up umfasst fünf großformatige Videoinstallationen: Ein Prozent – Imagined Communities (2019), Nothing in This World Can Take The Place of Persistence (2022), Ich darf sie immer alles fragen (2023), No More Butter Scenes (2024) und Die Unvorzeigbarkeit dessen, was nie hätte geschehen sollen (2024).
Mit Essays von Inke Arns und Florian Wüst sowie einem Interview mit Silke Schönfeld von Agustina Andreoletti, Werktexten von Eva Scharrer, Daniel Huhn, Merle Radtke, Luisa Rittershaus und einer umfangreichen Fotodokumentation der Ausstellung im HMKV Hartware MedienKunstVerein.
144 Seiten (Deutsch/Englisch)
EN Silke Schönfeld’s (b. 1988) filmic miseenscènes are political reflections that often take place in unexpected spatial and temporal contexts, seamlessly moving between documentary and fiction. In her films the personal stories of the protagonists are always interwoven with historical and social structures.
You Can’t Make This Up comprises five largeformat video installations: Ein Prozent – Imagined Communities (2019), Nothing in This World Can Take The Place of Persistence (2022), I may always ask her anything (2023), No More Butter Scenes (2024) and The impossibility of showing what should never have happened (2024).
With essays by Inke Arns and Florian Wüst as well as an interview with Silke Schönfeld by Agustina Andreoletti, notes on the works by Eva Scharrer, Daniel Huhn, Merle Radtke, Luisa Rittershaus, and extensive photographic documentation of the exhibition at HMKV Hartware MedienKunstVerein.
144 pages (German/English)