

Ist das Christentum schlecht für die Welt?
Sharon James
Ist das Christentum schlecht für die Welt?
Wie der christliche Glaube die Geschichte beeinflusst hat
Sharon James
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über dnb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Bei Fragen zur Produktsicherheit wende dich bitte postalisch oder per E-Mail über die angegebenen Kontaktdaten an uns.
Titel des englischen Originals: Is Christianity Good for the World?
© 2023 by Sharon James
Published by Crossway a publishing ministry of Good News Publishers
Wheaton, Illinois 60187, U.S.A.
This edition published by arrangement with Crossway. All rights reserved.
Wenn nicht anders angegeben, wurde folgende Bibelübersetzung verwendet: Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
© 2025 Verbum Medien gGmbH
Kleines Lohfeld 6
D-32549 Bad Oeynhausen verbum-medien.de info@verbum-medien.de
Übersetzung: Frauke Bielefeldt
Lektorat: Lydia Diefenbach
Umschlag: Ben Stafford
Bilder: unsplash
Satz: Satz & Medien Wieser
Druck und Bindung: Totem, Polen
1. Auflage 2025 Best.-Nr. 8652 336
ISBN 978-3-98665-336-1
E-Book 978-3-98665-337-8
Hörbuch 978-3-98665-338-5
DOI 10.54291/f635959797
Solltest du Fehler in diesem Buch entdecken, würden wir uns über einen kurzen Hinweis an fehler@verbum-medien.de freuen.
»Ich bin durch mit dem Christentum!«, rief Sophie.
Unter Tränen erzählte sie, dass ein Pastor, den sie geschätzt hatte, wegen Missbrauchs verurteilt worden war. Wie hatte man ihr vormachen können, dass er ein guter Mensch sei? Das bewies doch, dass Christen Heuchler sind! Ihre College-Freundinnen hatten ihr schon lange gesagt, dass das Christentum schrecklich für Frauen sei. Vielleicht hatten sie recht.
Sophie ist nicht allein. Jeder vierte Teenager der Generation Z sagt, dass Heuchelei bei Christen sie daran hindere, an Gott zu glauben.1
Ihr Ärger war berechtigt. Jeder Missbrauch ist übel. Noch abscheulicher ist es, wenn eine Person in einer Vertrauensposition das ihr entgegengebrachte Vertrauen missbraucht. Leider hat es im Laufe der Geschichte immer wieder Missbrauch gegeben, und es gibt ihn auch heute noch. Er wird dabei auch zu Unrecht im Namen Christi begangen. Die formale, institutionelle Religion muss jedoch von echtem, lebendigem christlichem Glauben unterschieden werden.
Jesus Christus hat religiöse Führer und andere, die ihre Schützlinge schädigen, aufs Schärfste verurteilt (vgl. Mt 18,6). Die Bibel warnt auch vor »Wölfen im Schafspelz« und erklärt uns, dass wir die Echtheit des Glaubens nicht an schönen Worten (oder großartigen Predigten) einer Person festmachen sollen, sondern an ihrem Tun. »An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen« (Mt 7,16).
Wenn wir versucht sind, alle Christen als Heuchler abzustempeln oder den Glauben als gefährlich und unterdrückerisch zu betrachten, sollten wir uns aber daran erinnern, dass die Grundsätze von Gerechtigkeit, Freiheit und Barmherzigkeit alle auf dem Weltbild der Bibel gründen. Die Tatsache, dass Sophie und so viele andere sich über Missbrauch empören, ist eigentlich das Ergebnis dieses Weltbildes.
Dies wird zunehmend zugestanden. So glaubte z. B. Tom Holland, Autor von Herrschaft: Die Entstehung des Westens, als Jugendlicher, dass das Christentum ein Zeitalter des Aberglaubens eingeläutet und die Aufklärung dann die klassischen Werte wiederbelebt hätte. Als er die Auswirkungen des Christentums auf die westliche Zivilisation untersuchte, stellte er hingegen fest, dass das Vorbild Christi, der sich selbst hingegeben hat, und auch die christliche Ethik, die jedes
Menschenleben als Ebenbild Gottes achtet, die eigentliche Grundlage für die Werte sind, die wir heute hochhalten.2 Er schreibt: »Das [Christentum] ist der Hauptgrund dafür, dass die meisten von uns, die in nachchristlichen Gesellschaften leben, im Großen und Ganzen immer noch davon ausgehen, dass es edler ist, zu leiden, als Leid zuzufügen. Das ist der Grund, warum wir im Allgemeinen davon ausgehen, dass jedes menschliche Leben gleich viel wert ist.«3
Christliche wie nichtchristliche Kommentatoren argumentieren heute, dass die Ablehnung der biblischen Weltanschauung katastrophale Auswirkungen auf die westliche Kultur hat. In dem Maße, wie christliche Moral abnimmt, nehmen sexuelle Ausbeutung und Missbrauch zu.4 Gesellschaften leiden, wenn die Rechte des Einzelnen auf Kosten des Gemeinwohls erhöht werden.5 Wir alle leiden, wenn wir in konkurrierende Identitätsgruppen6 aufgeteilt und darauf trainiert werden, überall im gesellschaftlichen Miteinander Aggressionen zu spüren (Sexismus, Rassismus, Homophobie, Transphobie, Behindertenfeindlichkeit).7 Unschuldige Menschen müssen befürchten, auf der falschen Seite
einer übereifrigen Inquisition zu landen, wenn sie etwas Verkehrtes über die Identität anderer sagen.8
Der Weg des christlichen Glaubens ist besser. Im Zentrum der biblischen Weltanschauung steht die Hingabe an andere. Der christliche Gott hat sich selbst hingegeben. Jesus ist »nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele« (Mk 10,45). Die Heilige Schrift fordert Christen auf, ihre Familie und Nachbarn wie auch Fremde und Feinde zu lieben. Wo echte Nachfolger Christi sich an diese Gebote gehalten haben, da haben sie Ungerechtigkeit und Missbrauch bekämpft und sich um die Bedürftigen gekümmert. Dies hat sich positiv auf alle Lebensbereiche ausgewirkt: echte Freiheit, menschliches Wachstum und Erfüllung. Ist es nicht das, was wir alle wollen?
Freiheit
Anfang 1972 schlenderte Paul Raffaele eine Straße in Kanton (China) entlang, als er eine schweigende Menschenmenge um einen offenen Lastwagen bemerkte. Auf ihm standen vier Männer mit gesenkten Köpfen. Jeder hatte eine Tafel auf dem Rücken, auf der sein eigener Name durchgestrichen war. Die zum Tode Verurteilten, die vor ihrer Hinrichtung als Warnung für andere durch die Straßen getrieben wurden, waren Opfer eines tyrannischen Regimes, das versuchte, das Handeln und Denken von einer Milliarde Menschen zu kontrollieren. Wer diesem Regime widersprach, konnte inhaftiert, gefoltert oder hingerichtet werden.9 Wenn wir im Westen leben, halten wir Freiheit oft für selbstverständlich. Aber der Gedanke, dass jeder Mensch gleiche Würde hat und in Freiheit leben können sollte, war für die meisten Kulturen überhaupt nicht naheliegend. Die griechisch-römische Gesellschaft hatte keine Vorstellung davon, dass jedes menschliche Leben
einen eigenen Wert und eigene Würde hat.10 Menschenleben waren billig.11 Im römischen Reich lebten ca. 70 Millionen Menschen. Zehn Millionen davon waren Sklaven. Tatsächlich wurden die meisten Gesellschaften im Laufe der Geschichte auf der Sklaverei aufgebaut.12 In einigen islamischen Ländern gibt es immer noch Sklaverei.13 Heute gibt es vermutlich zahlenmäßig mehr Sklaven auf der Welt als je zuvor: Schätzungsweise 27,6 Millionen sind Opfer von Sexhandel und Zwangsarbeit.14 Warum war es früher normal?
Angriffe auf die Freiheit in einer gottlosen Welt
Die heidnischen Polytheisten sahen die Menschheit und ihr Schicksal in den Händen einer launischen Götterwelt. Die Evolutionstheorie und die daraus resultierende naturalistische Weltanschauung sehen den Menschen als ein Zufallsprodukt in einem unpersönlichen Universum. Wenn wir nur vom Schicksal der Götter bestimmt oder nur die zufälligen Produkte der Natur wären, dann hätte nicht jedes menschliche Leben in sich Wert und Würde. Wenn der wahre Gott und das, was sein Wort über die Würde des Menschen sagt, geleugnet werden, sind unterdrückende Herrscher niemandem mehr Rechenschaft schuldig.15 Allzu oft wird
der Staat zu Gott. Für Karl Marx (1818–1883) beispielsweise konnten Versklavung, Folter und Tötung gerechtfertigt sein, wenn sie die Revolution voranbrachten.16
Der Schriftsteller Alexander Solschenizyn (1918–2008) war acht Jahre lang in einem sowjetischen Arbeitslager inhaftiert. Eines Nachts hörte er die kläglichen Schreie eines Mädchens im Teenageralter. Sie hatte es gewagt, eine Bemerkung über Freiheit zu machen. Sie musste bestraft werden, damit sie nie wieder so gefährliche Dinge denken würde.
»Sie aber steht, steht nicht erst eine Stunde im Wind, stramm und steif, nur den Kopf gesenkt, weinen höre ich sie, dann ist Stille, dann dringt wieder eine Klage zu mir herüber: ›Bürger Natschalnik! … Verzeihen Sie mir! … Bitte! Ich werd’s nie mehr tun …‹
Der Wind trägt mir ihr Stöhnen zu, so klar, als stünde sie dicht neben mir.«17
Als Solschenizyn ihre Schreie hörte, schwor er sich: »Die ganze Welt wird darüber lesen.«18 In seiner Reflexion über die Ideologie, die unendliches Leid verursacht und rund 148 Millionen Menschen getötet hat,19 kommentierte er später schlicht: »Die Menschen haben Gott vergessen.«20
Freiheit: Das christliche Fundament
Der Gedanke der Menschenrechte gründet auf der biblischen Auffassung, dass alle Menschen nach Gottes Ebenbild geschaffen sind (vgl. 1 Mose 1,26–27).21 Dies verleiht jedem Menschen die gleiche Würde. Wenn wir einen anderen Menschen sehen, sehen wir jemanden, der Gott selbst repräsentiert, jemanden, der »mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt« ist (Ps 8,6). Wenn wir einen Mitmenschen vernachlässigen oder verachten, beleidigen wir Gott. Der Weise sagt:
»Wer dem Geringen Gewalt tut, lästert dessen Schöpfer; aber wer sich des Armen erbarmt, der ehrt Gott.« (Spr 14,31)
Christen bejahen die Würde allen menschlichen Lebens auch vor allem deshalb, weil Gott selbst in Christus vom Augenblick der Empfängnis an »Fleisch« geworden ist. Christen glauben auch, dass jedes menschliche Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod geschützt werden sollte, 22 weil Gott, der das Leben gibt, das Vergießen unschuldigen Blutes richten wird (vgl. 1 Mose 9,6; Spr 14,31). Jeder Mensch hat ein Gewissen (vgl. Röm 2,15). Gottes Mo -
ralgesetz gilt für Herrscher und Beherrschte gleichermaßen: Alle werden sich vor ihm verantworten müssen (vgl. Röm 13,1–4).
Diese biblischen Wahrheiten bilden die Grundlage für die »Herrschaft des Gesetzes« und unsere Hochachtung von Menschenwürde und Freiheit. Sie inspirierten auch zum Widerstand gegen Tyrannei. 23
Sie bilden die einzig sichere Verteidigung gegen die überbordenden, totalitären Ansprüche eines allmächtigen Staates.
Religionsfreiheit: in der Bibel gegründet
Auch der Wert der Meinungs- und Religionsfreiheit geht auf das christliche Verständnis der Schöpfung zurück. Wer nach Gottes Ebenbild geschaffen wurde, hat die von Gott gegebene Fähigkeit zu Liebe, Beziehung und Anbetung. Echte Liebe, Beziehung und Anbetung können nicht erzwungen werden. Die Gewissensfreiheit ist ein natürliches Recht, das allen Ebenbildern Gottes zusteht.24
Doch leider hat die institutionelle Kirche im Laufe der Jahrhunderte phasenweise mit religiöser Verfolgung und Intoleranz agiert. Dies war eine entsetzliche Perversion der biblischen Lehre. 25 In diesen