Finanzplatz Schweiz zwischen Tradition und Transformation
Vielen Banken steht ein grosser Umbau bevor: Sich wandelnde Kundenbedürfnisse, steigender Kostendruck, neue Wettbewerber und Technologien – wer zu spät handelt, riskiert Marktanteile und verpasst eine zukunftsgerichtete Positionierung.
Die jüngere Kundschaft erwartet heute ein umfangreiches «Digital Banking» auf dem Smartphone oder Tablet. Es soll einfach und intuitiv sein, wie wir es aus anderen Industrien wie der Unterhaltungsindustrie kennen. Gleichzeitig bevorzugen ältere Kunden den Filialbesuch für eine umfangreiche Beratung, und auch im «Private Banking» spielt ein hybrider Beratungsansatz – die Kombination von digitaler und persönlicher Interaktion –eine wichtige Rolle.
Dies erfordert ein Umdenken, nicht nur in Bezug auf die strategische Ausrichtung und das künftige Geschäftsmodell der Bank, sondern auch hinsichtlich Organisation und Prozessen. Die Fähigkeit, auf diese Veränderungen adäquat zu reagieren, hängt wesentlich von der Flexibilität der IT und dem Kernbankensystem eines Finanzinstituts ab. «Das Kernbankensystem ist das Herz einer Bank», sagen Daniel Gassmann und Adrian Glatz, Partner bei KPMG Schweiz. «Wenn das nicht schnell genug schlägt, spielt es keine Rolle, was rundherum gebaut wird.»
Operation am offenen Herzen
Auch bei der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS spielt das Kernbankensystem eine zentrale Rolle und bringt ein riesiges ITVorhaben mit sich. Ein Integrationsprojekt zweier global tätiger Institute mit sehr unterschiedlichen Applikationen und Prozessen ist höchst anspruchsvoll und komplex, urteilen die beiden Transformationsexperten, «eine Herkulesaufgabe». Was dort derzeit passiert – die Verschmelzung von über Jahrzehnte gewachsenen, komplexen Systemlandschaften –, beschäftigt in kleinerem Umfang viele Institute. Umbauarbeiten am Kernbankensystem sind anspruchsvoll. Das seien «Operationen am offenen Herzen, um eine Metapher aus dem Gesundheitswesen zu nehmen», so die Beschreibung von Adrian Glatz. «Eine moderne, modulare ITArchitektur erlaubt der Bank, künftig flexibel und unabhängig zu agieren – die hat aber ihren Preis», meint Daniel Gassmann. Denn: Ist die strategische Positionierung der Bank definiert und die dazu passende ITLösung gefunden, geht es ans Eingemachte. Es folgt eine oft mehrere Jahre dauernde Integration und Weiterentwicklung von einzelnen Komponenten. Mit intensiven Testphasen, in denen kritische Bankprozesse möglichst realitätsnah, system und bereichsübergreifend getestet werden. «Genau dann zeigt sich, ob das Zusammenspiel der einzelnen Module reibungslos funktioniert», erklärt Gassmann. «Probleme, die erst zu diesem Zeitpunkt entdeckt werden, führen in der Regel zu massiven Verzögerungen und Kosten –das beobachten wir in der Praxis nicht selten.» Falls Banken sich dazu entscheiden, Teile oder gleich das komplette Kernbankensystem zu erneuern, müssen auch Kunden vom alten auf das neue System übertragen werden. Dies ist eine hochkomplexe Aufgabe: «Um Finanzdaten zu migrieren, bleiben oft nur wenige Stunden, bevor das Tagesgeschäft wieder aufgenommen werden muss. Kommt es zu Fehlern oder Verzögerungen, kann dies im Extremfall dazu führen, dass die Bank stillsteht – das ist fatal», sagt Gassmann. «Kommt es zum Beispiel während der Übertragung von Kreditlimiten zu Problemen, können Kunden über zu hohe oder zu niedrige Beträge verfügen – das kann gravierende Konsequenzen haben.» Um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, werden Migrationen deshalb oft mehrere Monate lang geübt, bis es dann zur eigentlichen Umstellung kommt.
Abhängigkeit und Wettbewerb
Für viele Institute gibt es aber noch eine andere Herausforderung: Gerade kleine und mittlere haben häufig wenig finanzielle und personelle Ressourcen, Kapazitäten und technische Erfahrung, um ein Kernbankensystem selbst zu betreiben und weiterzuentwickeln. Sie überlassen dies externen Firmen, begeben sich damit aber auch in eine gewisse Abhängigkeit. Die Möglichkeiten zur Implementierung individueller Anforderungen und die schnelle Nutzung neuster Technologien hängen stark von der Strategie und der Entwicklungsgeschwindigkeit des Anbieters ab. Zudem stellt sich die Frage, wer die Banken bei den anstehenden Transformationen unterstützen kann. Auf dem Arbeitsmarkt stehen sie in Konkurrenz zu den grössten Technologiekonzernen. Erschwerend kommt hinzu, dass Banken in spezialisierten Bereichen organisiert sind. «Was den Banken häufig fehlt, sind Mitarbeitende, die bereichsübergreifend das nötige Verständnis haben –

Die Schweizer Banken müssen ihre Traditionen wahren, aber das Tempo der Veränderungen global mitgehen.
vom Frontoffice zum Backoffice – mit fundiertem Businesswissen und einem strategischen Blick für die Möglichkeiten der Technologie», sagt Glatz. Wer denkt, dass sämtliche Marktteilnehmer das gleiche Problem haben, liegt falsch. Am Wettbewerb um die Schnittstelle zum Kunden nehmen schon länger nicht mehr nur Banken teil – TechKonzerne wie Apple, Google, Samsung oder die Schweizer Innovation «Twint» bedienen Kunden mit ihren eigenen Apps und zwängen sich an die Schnittstelle zwischen Kunde und Bank. Gerade diese Schnittstelle ist im Banking seit jeher wichtig: Wer direkten Zugang zum Kunden hat, kontrolliert die Informationsflüsse und kann das Vertrauen in die Marke stärken. Ausserdem lassen sich weitere Produkte verkaufen oder vermitteln. Hinzu kommt, dass neue Wettbewerber keine langjährige, komplizierte ITApplikationslandschaft haben, die sie kostspielig betreiben müssen. FintechStartups und Neobanken können rasch mit schlanken, digitalen Lösungen spezifische Kundensegmente aufgreifen. Des Weiteren gibt es Plattformen, die Finanzdienstleistungen und weitere Angebote bündeln. Auch hier laufen Banken Gefahr, zum «Lieferanten» zu werden.
Worauf müssen sich die Banken einstellen? Banken haben oft sehr individuelle Herausforderungen, aber auch Chancen – entsprechend ist die Standortbestimmung genauso wichtig wie der Blick in die Zukunft. «Dabei geht es um mehr als nur das Kernbankensystem. Wir reden von einem kontinuierlichen Transformationsprozess, denn neben technologischen Innovationen entwickeln sich auch die Kundenbedürfnisse und der Markt ständig weiter. Diese müssen laufend berücksichtigt werden», erklärt Daniel Gassmann. «Klassisches Projektmanagement mit klaren Entscheidungswegen ist auch bei solchen Projekten zentral», so Glatz. «Es wäre falsch, zu denken, dass es sich hier um reine ITProjekte handelt. Ohne solides bankfachliches Verständnis und die Unterstützung der Mitarbeitenden durch die Führungskräfte geht es nicht», ergänzt Gassmann. Viele Projektinitiativen seien auch deshalb gescheitert, weil das Vorhaben zu gross gedacht worden ist – typischerweise, weil solche Projekte mit vermeintlich kleineren Nebenund Sonderwünschen überladen werden.
KPMG Schweiz
KPMG zählt hierzulande zu den führenden Anbietern von Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer und Rechtsberatung sowie Unternehmensberatung. Der Dienstleister beschäftigt mehr als 3100 Mitarbeitende an elf Standorten in der Schweiz und Liechtenstein. Die Kunden von KPMG profitieren von massgeschneiderten Lösungen und strategischen Allianzen mit Technologiepartnern. kpmg.ch
Künstliche Intelligenz mit Potenzial Während Banken noch mit der Modernisierung beschäftigt sind, wächst bereits der Druck für die nächste technologische Revolution: KI. Mitarbeitende und Führungskräfte experimentieren mit künstlicher Intelligenz und sehen viel Potenzial. «KI kann nicht nur zur Effizienzsteigerung, sondern auch zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle eingesetzt werden», sagt Adrian Glatz.
Die Umsetzung von KIAnwendungen, die manuelle Prozesse automatisieren, wird bei vielen Banken zügig vorangetrieben. Die Schwierigkeit ist, parallel zu anderen strategischen Initiativen moderne Plattformen und Schnittstellen bereitzustellen sowie eine gute Datenverfügbarkeit sicherzustellen. Zusätzlich zeichnen sich am Horizont weitere Herausforderungen wie QuantumSafeComputing mit entsprechenden regulatorischen Vorgaben ab. Quantum Computing wird die Verarbeitung grosser Datenmengen beschleunigen und könnte für die aktuellen Verschlüsselungssysteme der Banken zu einer Bedrohung werden. Auch hier gilt es, mit den Entwicklungen mitzuhalten.
Gemeinsam statt einsam agieren Angesichts zunehmender Komplexität und hoher Kosten suchen viele Banken nach alternativen Ansätzen. «Es wird weitere Zusammenschlüsse geben, weil die Banken vor ähnlichen Herausforderungen stehen», sagt Glatz. «Zudem ist damit zu rechnen, dass sich einzelne Häuser auf bestimmte Produkte oder Dienstleistungen spezialisieren», lautet die Prognose von Gassmann. Auch neue Technologieanbieter könnten den Markt verändern. Denkbar sind insbesondere modulare Lösungen, die flexibel gestaltet sind und sich an individuelle Bedürfnisse anpassen lassen. Am Ende geht es um die Balance: Schweizer Banken müssen ihre Traditionen wahren, aber das Tempo der Veränderungen mitgehen. Wer zu spät reagiert, riskiert, beides zu verlieren. kpmg.ch/transformation
Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation im Auftrag von KPMG Schweiz erstellt.